: Kein Kriegsdienst für die Apartheid
143 südafrikanische Wehrdienstverweigerer gehen an die Öffentlichkeit / Militär unterstützt Apartheid und destabilisiert Nachbarstaaten / Lieber sechs Jahre Haft als Kampf für die Minderheitsregierung ■ Von Hans Brandt
Berlin (taz) - Wilhelm Liebenberg ist ein waschechter Bure. Der 33jährige Universitätslektor hat zahlreiche Namensgenossen in den Institutionen burischer Macht in Südafrika, auch im Militärapparat: Generalleutnant Andre Liebenberg zum Beispiel ist Leiter des Heeres.
Aber Wilhelm Liebenberg hat sich vom burischen Volk getrennt. Er war einer von 143 weißen Männern, die am Mittwoch in gleichzeitigen Pressekonferenzen in Johannesburg, Kapstadt, Durban und Grahamstown bekanntgaben, daß sie in Zukunft den Kriegsdienst in den südafrikanischen Streitkräften verweigern werden. Das südafrikanische Militär „trägt zur Aufrechterhaltung der Apartheid und zur Destabilisierung der Nachbarstaaten bei“, hieß es in einer Erklärung der Verweigerer. Ihre spektakuläre Aktion zeigt erneut, welche Ausmaße der Unmut über die Rolle des südafrikanischen Militärs erreicht hat.
„Wir sind loyale Südafrikaner mit einer festen Verbundenheit mit unserem Land“, sagte Wilhelm Liebenberg in Johannesburg. „Wir wollen für das Wohl aller Südafrikaner arbeiten. Den Kriegsdienst zu verweigern ist keineswegs ein einfacher Ausweg.“ Das hatte sich vor zehn Tagen gezeigt, als der 24jährige Verweigerer David Bruce in Johannesburg zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde.
Unter den 143 Verweigerern waren Studenten, Ärzte, Geistliche, Dozenten, Wissenschaftler, Architekten und Programmierer. 105 von ihnen waren noch nie beim Militär, während die übrigen ihre erste Militärausbildung schon hinter sich hatten und sich nun weigern wollen, jährliche Pflichtübungen mitzumachen. In Südafrika gilt die Wehrpflicht für alle weißen Männer ab dem 18.Lebensjahr.
Nach einer ersten, zweijährigen Ausbildungszeit sind für die nächsten zwölf Jahre jährlich zweimonatige Reservistenübungen, danach, bis zum 55.Lebensjahr, zehn-Tage -Übungen Pflicht. Seit 1985, als sich nach offiziellen Angaben 7.589 Männer nicht zum Militärdienst meldeten, weigert sich die Regierung, Zahlen über Verweigerer bekanntzugeben.
Steven Silver, ein 22jähriger Psychologiestudent, sagte am Mittwoch, daß er eine sechsjährige Haftstrafe riskieren würde, weil das Militär ein ungerechtes System der Minderheitsregierung stütze. „Die Rolle des Militärs in den schwarzen Wohngebieten und bei der Destabilisierung im südlichen Afrika hat mich überzeugt, daß das Militär zu einer friedlichen Lösung in unserem Land nicht beitragen kann,“ sagte Silver.
Einige der Verweigerer beschrieben Übergriffe des Militärs, die sie während ihrer Dienstzeit beobachtet hatten. So sagte Stephen Louw, der während der Aufstände 1985 und 1986 in schwarzen Townships einen Panzerwagen gefahren hatte, daß er gezwungen wurde, in eine Menschenmenge hineinzufahren, „nur um für Aufruhr zu sorgen“. Er habe außerdem beobachtet, wie einer Frau mit einem Gewehrkolben ins Gesicht geschlagen wurde, weil sie weinte, nachdem ihr Mann bei Unruhen ums Leben gekommen war. Auch das Auspeitschen junger Kinder durch die Sicherheitskräfte habe er beobachtet.
„Ich habe den offenen und uneingeschränkten Rassismus vieler südafrikanischer Soldaten erlebt,“ sagte Etienne Marais, der 1981 in Angola in einer südafrikanischen Einheit kämpfte. „Ich habe Vorfälle des Mordes, der Vergewaltigung, der mutwilligen Zerstörung und der Folter selbst miterlebt oder davon gehört.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen