: Chile: Lebenslang statt Todesstrafe
Militärgericht in Chile wandelt Todesstrafen der ersten Gerichtsinstanz gegen drei chilenische Widerstandskämpfer in lebenslange Haftstrafen um / Bundesregierung verweigert weiterhin Asyl / Redakteur der Oppositionszeitschrift 'Analisis‘ verhaftet ■ Von Till Meyer
Berlin (taz) - Das chilenische Militärgericht, der Corte Marcial, hat die Todesurteile der ersten Instanz gegen Hugo Marchant, Jorge Palma und Carlos Araneda nicht bestätigt, sondern in lebenslange Haft umgewandelt. Gegenüber der taz erklärte die chilenische Rechtshilfeorganisation CODEPU, dieses Urteil sei vor zwei Tagen ergangen und werde wahrscheinlich heute offiziell bekanntgegeben. Die drei gehören zu den 15 chilenischen Todeskandidaten, um deren Aufnahme in die Bundesrepublik es im letzten Jahr heftigen Streit unter den Bonner Parteien gegeben hatte. Acht Bundesländer hatten sich bereiterklärt, den 15 Asyl zu gewähren, Innenminister Zimmermann dagegen hatte eine Zusage der Bundesregierung mit der Begründung verweigert, daß es sich bei den 15Widerstandskämpfern um „Terroristen“ handele.
Den jetzt vom Corte Marcial zu lebenslanger Haft verurteilten drei Angeklagten, die seit über fünf Jahren in Haft sitzen, wird von der chilenischen Militärjunta vorgeworfen, im September 1983 an einem Anschlag auf den Militärgouverneur von Santiago, Carol Urzua, beteiligt gewesen zu sein. Der General war von einem Kommando der „Bewegung der Revolutionären Linken“ (MIR) auf dem Weg zum Dienst erschossen worden. Alle Angeklagten haben sich zur Mitgliedschaft in der MIR bekannt, aber eine Beteiligung an dem Attentat bestritten.
Der Corte Marcial ist mit drei Militärs und zwei Zivilrichtern besetzt und muß nach chilenischem Recht seine Entscheidungen einstimmig fällen. Der chilenischen Oppositionszeitung 'Fortin Diario‘ nach haben vier Richter für die Todesstrafe votiert, während einer der beiden Zivilrichter dagegen gestimmt hat. Schon bei dem Urteil gegen Carlos Garcia im letzten November wurde durch das Veto eines der Zivilrichter die Todesstrafe in lebenslängliche Fortsetzung auf Seite 2
FORTSETZUNG VON SEITE 1
Haft umgewandelt. Nach Meinung der chilenischen Opposition steht die Militärjunta derzeit unter anhaltendem öffentlichen Druck und will, vor allem vor dem Plebizit im Herbst, die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit nicht durch neue Todesurteile auf sich lenken.
Nach Informationen der taz ist am Mittwoch der Redakteur der chilenischen Oppositionszeitschrift 'Analisis‘, Alvaro Rochas, verhaftet worden. Rochas, der lange Zeit Korrespondent in der Bundesrepublik war, hatte bereits im März einen satirischen Artikel über die chilenischen Streitkräfte geschrieben, der jetzt Grund für seine Verhaftung war.
In ihrer morgigen Ausgabe wird die taz ein Porträt der drei jetzt zu lebenslanger Haft Verurteilten sowie ein Interview mit Rolando Cartagena Cordova, einer der 15 von der Todestrafe bedrohten chilenischen Widerstandskämpfer, drucken.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen