UNTER GEIERN

■ DAS LETZTE MA(H)L

Eigentlich wollte ich nur ein Paar Unterhosen kaufen. Wie aber schon so oft, hatte ich aber auch an diesem Tag keinen Erfolg. Gepeinigt durch die Umstände, verließ ich das KaDeWe mit nem halben Baguette und nem Klumpen Käse, um wenigstens meinem Magen Genugtuung zu verschaffen.

Eine Verkehrsinsel, die zugleich, glaube ich, auch eine Grünanlage sein soll, schien mir der geeigneteste Ort zu sein, um mir mein verspätetes Frühstück in Ruhe einzuverleiben. Aber ich war nicht allein. Binnen Sekunden hatte sich eine ganze Armada fliegender Ratten um mich versammelt, um Teilhaber meines Französischen Frühstücks zu werden. Schon beim ersten Brocken, den ich in die gurrende Menge warf, war es um mein Frühstück geschehen. Von allen Dächern stürzte sich jetzt graues Federvieh hinab, um sich bedingungslos für den kleinsten Krumen einzusetzen.

Durch gezielte Würfe, mal links, mal rechts, ließ ich die federne Menge vor mir hin- und hertippeln. Bei jedem Stückchen hackten Dutzende Schnäbel gleichzeitig aufeinander ein. Fasziniert von diesem Kannibalismus, schürte ich die Freßgier, indem ich den weichen Teig zu dicken Kugeln zusammenrollte und in die gierende Menge warf. Wie ein Flummi sprang der Brotball unter dem Hacken der Schnäbel unwillkürlich in alle Richtungen. Dabei beobachtete ich, wie ein Pulk von etwa 20 Fliegern eine Kugel in bedenkliche Nähe der Straße trieb. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich schon die blöden Viecher auf der belebten Straße dem Massenexitus entgegenpicken.

Kurz bevor der Vorrat zur Neige ging, wurde meine Vision grausame Wirklichkeit. Ein kurzes Reifenquietschen. Ich drehte um, und tatsächlich lag da ein kleiner Geier, der den Kropf nicht voll genug kriegen konnte. Ich konnte gerade noch einen Krumen in seinem zerquetschten Schnabel ausmachen, dann war er endgültich platt. War ich Carries Bruder oder der Vogel ein Opfer seiner Gier?

Eigentlich wollte ich ja nur Unterhosen kaufen.

V. K.