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Anti-IWF-Kampagne und Bewegung

■ Schwerpunktheft des iz3w mit Positionen von Autonomen, AL und Solidaritätsgruppen erschienen / Infos über Gegenkongreß, Aktionstage und Tribunal / Hintergrundbericht zur IWF-Strategie gegen Kolumbien

Aktionstage, Gegenkongreß, Schuldenerlaß oder Schuldenboykott, zerschlagen, verhindern, behindern, begrüßen - klar ist bisher wenig mehr, als daß Ende September die Jahrestagung von IWF und Weltbank in West -Berlin stattfindet. Die Bewegung dagegen, auch das läßt sich leider nicht leugnen, ist zersplittert. Ob sie dadurch nun geschwächt ist oder ob die aus der Spaltung erwachsende Klarheit der inhaltlichen Positionen sie stärkt - das ist eine Frage, die im gerade erschienen Schwerpunktheft „IWF/Weltbankkampagne“ des iz3w thematisiert wird. Das sechzig Seiten starke Heft liefert derzeit wohl den besten und aktuellsten Überblick über die lange vorbereiteten Tage im Herbst.

Es läßt VertreterInnen vieler Strömungen zu Wort kommen. AL -Vertreter versuchen zu begründen, wieso zwar „jede Reform (von IWF und Weltbank, Anm.O.T.), die die Kapitalverwertungslogik nicht bricht, die Probleme höchstens verschiebt, aber nicht lösen kann“, trotzdem aber in der Anti-IWF-Kampagne „Lösungsvorschläge“ gemacht werden müssen, „die praktikabel erscheinen und inhaltlich nachvollziehbar eine neue Entwicklungsrichtung aufzeigen“.

Der Spagat zwischen radikaler Rhetorik und moderatem Gegenaktionskonzept wirkt leicht verkrampft, vor allem wenn dann noch unterstellt wird, ausgerechnet das autonome Aktionstagekonzept gebe sich mit den regierungsoffiziell zugewiesenen Nischen zufrieden: „Mit dem Verweis auf die Notwendigkeit sofortiger Zerschlagung und der Ablehnung jeglicher Reformvorschläge gegenüber den Institutionen und dem System begibt man sich implizit sofort auf die von den herrschenden angebotene Ebene der innenpolitischen Repression.“

Der mit „Max Hoelz“ gezeichnete Beitrag von autonomer Seite setzt sich ausführlich mit der von AL-Seite erhobenen Forderung nach Schuldenstreichung auseinander. Im Zentrum der Argumentation steht dabei, daß sich für die in die Slums getriebene Landbevölkerung, die verarmten und verhungernden Massen in den ausgebeuteten Ländern überhaupt nichts ändern würde. Eine derartige reformerische Perspektive böte Chancen nur für die nationalen Bourgeoisien.

Mit der Tatsache der getrennten Aktionskonzepte hat sich zumindest dieser Teil der Autonomen gut arrangiert: „Falsche Gemeinsamkeiten schwächen, verwischen und nützen dem Gegner.“ Kritischer sehen das Frauen der Kolumbiengruppe Münster, die nach einer inhaltlichen Kritik am Gegenkongreßkonzept von Teilen der BuKo, AL, Jusos und SEW fordern, diesen durch gezielte Intervention von Solidaritätsgruppen umzufunktionieren und dadurch auf breiter Ebene zu einer Diskussion über radikale politische Handlungskonzepte gegen die IWF/Weltbank-Politik zu kommen, die vor allem ein Problem berücksichtigen müssen: „Wie wir Leute bewegen sollen, sich aktiv für etwas einzusetzen (z.B. globale Schuldenstreichung), das einen Verlust ihrer Privilegien bedeutet und nicht etwa eine Abwendung von Bedrohung ihrer unmittelbaren Existenz, wie das bei der Ökologie und Friedensbewegung möglich ist.“ Neben diesen Einschätzungen und Kommentaren informiert die iz3w-Broschüre umfassend über das gesamte Spektrum der Gegenaktivitäten: den am 23./24.9. stattfindenden Gegenkongreß mit Workshops und Foren, das in der Tradition der Russell-Tribunale stehende Permanent Peoples Tribunal, in dem u.a. Gabriel Garcia Marquez und Eduardo Galeano sitzen werden, um dann am 29.9. einen Urteilsspruch über die IWF/Weltbankpolitik zu fällen, sowie über die vom 23.-30.9. angesetzten Aktionstage, die sich dezentral gegen konkrete Objekte, „deren verknüpfung mit weltweit imperialistischer Herrschaft unübersehbar sind“, richten werden.

Komplettiert wird das Heft durch Informationen über die IWF -Strategie gegenüber Kolumbien und die dortige politische Situation, durch einen Artikel über die Nord-Süd-Kampagne des Europarates sowie einen Bericht über das Low Intensity Conflict Hearing der Grünen im Bundestag. Wer etwas tiefer in die Materie einsteigen will, ohne jetzt gleich dicke Bücher wälzen zu wollen, sollte außerdem das iz3w-Heft Nr.137 besorgen: dort werden die Vorschläge Fidel Castros zur Entschuldung sowie die Schuldensituation vor allem lateinamerikanischer Staaten diskutiert. Ausführlich kommen auch die Grünen mit ihrem Ansatz für Entschuldungspolitik zu Wort.

Oliver Tolmein

Blätter des iz3w, Nr.151, August 1988, 60 Seiten, 5 DM und Nr.137, November 1986, 68 Seiten, 5 DM. Im linken Buchhandel oder über iz3w, Postfach 5328, 78 Freiburg i.Brsg.

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