piwik no script img

Das Baby im Bücherregal

Produzent Vith verkauft Videos, in denen man Babys in Nahaufnahme bewundern kann  ■ I N T E R V I E W

taz: Herr Vith, Sie verkaufen Videos, auf denen man sich für 79 Mark Kleinkinder anschauen kann. Was sieht man denn da?

Klaus Vith: Sie sehen all das, was ein Baby so den Tag über macht. Das heißt, die Babies spielen, essen Breichen, plantschen in der Badewanne. Die ganz Kleinen werden auch gewindelt, aber immer so, daß man keine Mutter oder eine Bezugsperson sieht. Wichtig ist, daß es Nahaufnahmen des Gesichts oder höchstens bis zur Brust sind, so daß das Kind die Betrachterin immer anschaut.

Sie haben die Idee aus den USA abgekupfert. Sind Sie damit erfolgreich?

Es ist eher ein kleines Geschäft innerhalb meiner Videoproduktionen. Bisher habe ich die Videos mit Kindern 80mal verkauft.

Wer sind Ihre Kunden?

Hauptsächlich sind es alleinstehende Frauen, Jungunternehmerinnen und Yuppies, die mal schauen möchten, wie das wäre mit einem Kind. Das Positive beim Video ist ja, daß die Zuschauerinnen all die unangenehmen Sachen, wie Windeln wechseln oder Geschrei, nicht haben. Sie schauen sich immer wieder das gleiche Kind an. Dadurch entsteht eine intensive Beziehung, wenn auch keine menschliche Wärme. Machmal sind die Kundinnen allerdings recht merkwürdig. Wenn die bei mir im Studio sitzen und sich in der Auswahl anschauen, was sie kaufen wollen, dann sind sie dabei oft sehr verkniffen und verbissen, als müßten sie sich fürs ganze Leben entscheiden. Man kann doch morgen das eine Kind zur Seite legen und ein anderes kaufen. So arm ist ja keiner, daß er keine 79 Mark hat.

Warum gehen Ihre Kundinnen nicht in den nächsten Park zur Buddelkiste und schauen sich dort die lieben Kleinen live an?

Wegen des Neids. Da sieht man ein Kind, denkt: „Was für ein süßer Fratz!“ Aber dann rennt der zu seiner Mutti zurück und verschwindet. Das Video ist permanent da. Sie stellen es ins Bücherregal und holen es am nächsten Tag wieder raus.

Hat der Hund als Ersatzkind ausgedient?

Das kann ich so nicht sagen (lacht). Ich glaube, das läuft parallel.

Sie planen also keine Videos mit süßen kleinen Hunden?

Solche Gedanken habe ich mir schon mal gemacht, denn in Amerika läuft auch das sehr gut. Aber ich habe noch keine Idee, wo ich für diese Videos inserieren könnte.

Interview: Gunhild Schöller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen