: Methadon-Programm bleibt umstritten
Deutsche Aids-Hilfe begrüßt die Initiative des niedersächsischen Gesundheitsministers / Fachverband „Drogen und Rauschmittel“ ist dagegen / Und jetzt Bayern: „Initiativen sind Panikreaktion“ ■ Von Wolfgang Gast
Berlin (taz) - Die Absicht des niedersächsischen Gesundheitsministers Schnipkoweit, künftig an HIV-positive FixerInnen die Ersatzdroge Methadon kostenlos abzugeben, hat gegenteilge Reaktionen hervorgerufen. Während die Aids-Hilfe Deutschland Schnipkoweits Initiative grundsätzlich begrüßte, stieß das beabsichtigte Methadon-Programm beim niedersächsischen Fachverband „Drogen und Rauschmittel“ auf Ablehnung.
Der Sprecher der Deutschen Aids-Hilfe, Helmut Ahrens, erklärte gestern, „auf die Methadonbehandlung in Einzelfällen kann unter dem Einfluß der Ausbreitung von HIV nicht mehr verzichtet werden“. Die geplante Methadonausgabe sei eine erfreuliche „Wendung zu einer realistischen Politik in der Aids- und Drogenbekämpfung“. Den Plänen des Ministers wird aber kritisch angemerkt, daß ohne den Ausbau eines Verbundsystems mit ambulanten Kriseninterventionszentren, Streetwork-zentrierten Kontakt- und Beratungsstellen und Einrichtungen für Selbsthilfegruppen das Fundament für ein Methadonbehandlungsangebot zu schwach sei. Neben einer Abstinenz-Therapie und einer Methadonbehandlung seien für eine Aids-Prävention in der Drogenszene aber ebenso der Spritzenumtausch, das Aufstellen von Spritzenautomaten und die kostenlose Kondomausgabe in „epidemiologischen Brennpunkten unverzichtbar“.
Der Fachverband „Drogen und Rauschmittel“, ein gemeinnütziger Zusammensschluß verschiedener Träger in der Drogenarbeit, reagierte mit „großem Unverständnis“ auf die Pläne Schnipkoweits. Geschäftsführer Leune warf dem Minister in einem Offenen Brief vor, noch im Januar im niedersächsischen Landtag erklärt zu haben, die Ergebnisse der Methadonprogramme in anderen Ländern zeigten, daß „mit ihrer Hilfe die Drogenproblematik bisher nicht entscheidend verringert werden konnte“.
Unterdessen hat der bayerische Innenminister Lang die Aufstellung von Spritzenautomaten und die Einleitung von Methadonprogrammen in Nordrhein-Westfalen scharf kritisiert. Der Staat müsse den Rauschmittelmißbrauch bekämpfen, „er darf ihn nicht auch noch fördern“, erklärte der CSU -Politiker. Die Initiativen seien offensichtlich eine „Panikreaktion“ auf die steigende Anzahl der Drogentoten.
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