: Blau-Weißes Desaster
■ Fußball-Pokal: Bayern München - Blau-Weiß 90 11:2 (elf:zwei!) / Vor und nach dem Spiel: Berlins Trainer Hoss pöbelte /Bayerns Olaf Thon erzielte fünf Tore / Aus dem Münchener Olympiastadion: Holger Schacht
Was soll man über Fußball-Profis schreiben, die in 90 Minuten elf Gegentore kassieren? Etwa: Daß die Niederlage in der Höhe verdient war? Oder: Was war das für eine Berufseinstellung, meine Herren? Doch diese Fragerei wäre zu oberflächlich. Denn das zweistellige Pokal-Desaster von Blau -Weiß in der Metropole des weiß-blauen Freistaats Bayern war schon im Vorfeld dieser Partie abzusehen. Nicht nur für Fußballexperten, nicht nur für ganz sensible Gemüter. Das 11:2 Endprodukt resultiert aus einer ganzen Reihe von Ungeschicklichkeiten. Aus vielen Pannen vor und während des Spieles, auf und neben dem Rasen. Vergleichbar mit einer tragischen Komödie. Hauptakteur: Blau-Weiß Trainer Bernd Hoss. Faule Statisten, im wahrsten Sinne des Wortes: seine, zu betreuenden, Kicker.
Drei Tage vor dem Debakel setzte Hoss erste Akzente. Einer der vielen Münchener Boulevard-Zeitungen vertraute der Berliner Coach an, daß ihn die Arbeit an der Spree „fertig“ mache. Und: „Bei Blau-Weiß muß ich mich um jeden Scheiß -Dreck kümmern. Einfach zum Kotzen.“ Starker Tobak, für Gelegenheits-Raucher Hoss. Später freilich wurden diese Worte dementiert. Präsident Kursawa: „Falsche Wiedergabe“. Die Aussprache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer soll ziemlich lange gedauert haben...
Auch sportlich hatte Hoss kein besonders glückliches Händchen. Seine Devise:„Gegen Bayern München sind wir Außenseiter, haben nichts zu verlieren. Deshalb wird nicht gemauert, sondern versucht, über spielerische Mittel zum Erfolg zu kommen.“ Berliner Sturm und Drang im Münchener Olympiastadion? Mutig, mutig. Dennoch vernünftig. Eine defensiv eingestellte Blau-Weiß Elf hatte schließlich noch nie etwas zustande gebracht. So liefen die Berliner mit zwei Stürmern und mehreren offensiven Mittelfeldspielern auf. Kopf hoch Jungs, macht Tore! Doch die fielen auf der anderen Seite. Gleich vier in der ersten Halbzeit. Den Anfang machte der neue Schwede in bayrischen Diensten, Johnny Ekström, bereits nach vier Minuten. Blau-Weiß Torwart Holger Gehrke hatte bei einem Abstoß mehr in den Rasen gehauen denn den Ball getroffen und gab eine ideale Vorlage. Kann passieren, Schwamm drüber. Auch die nächsten Tore fielen aus Dusseligkeit und eklatanten Abwehrschwächen. Insbesondere Libero Levy hinterließ einen chaotischen Eindruck. Wie man jedoch so blauäugig sein konnte, gegen die antrittsschnellen Münchener Stürmer mit einer nie richtig funktionierenden Abseitsfalle zu operieren, blieb vielen Beobachtern ein Rätsel. Bayerns Trainer Jupp Heynnckes: „Soviele Räume, soviel Platz werden wir wohl nie wieder bekommen.“ Zweimal Olaf Thon und wiederum der überragende Eckström ließen bis zur Pause den Ball im Netz zappeln.
Während Hoss die Verschnaufpause nutzte, seinen Spielern zu erklären, daß „so mancher wohl einen falschen Beruf“ ergriffen habe, wurde im Presseraum von einem Sportjournalisten angeboten: „Blau-Weiß steigt dieses Jahr ab. Darauf nehme ich jede Wette an.“ Niemand mochte einschlagen...
Nach dem Wechsel schoß Stefan Dinauer zwar den Anschlußtreffer, die Torfabrik Bayern indes störte das kaum. Bis zur 77. Minute sorgten Nachtweih, Thon, Wegmann und zweimal Wohlfarth für ein 9:1 Zwischenergebnis. Auffällig in der zweiten Hälfte: Den Hoss-Kickern fehlte nicht nur Kraft und Konzentration, sie verloren auch fast jeden Zweikampf. Die Bayern agierten wie im Training, zauberten, spielten für die Galerie und wurden schließlich von den 11.000 Zuschauern - darunter eine Handvoll Berliner - angefeuert, „das Dutzend“ vollzumachen. Das gelang, trotz zwei verwandelter Elfmeter von Thon, dann jedoch nicht mehr.
Blau-Weiß Präsident Kursawa machte nach dem endlich herbeigesehnten Schlußpfiff fröhliche Miene zum bitteren Spiel:„Wir haben versucht mitzuspielen, das ist daneben gegangen. Aber es ist immer noch besser soviele Tore zu kriegen, als unattraktiven Fußball zu bieten. Sauer bin ich nicht“, sagte der schwergewichtige Hoss-Boß und fügte bildlich hinzu: „Bayern und unser Team zu vergleichen, das ist etwa so, wie mit einem VW in der Formel 1 zu starten.“
Hoss hingegen konnte seine tiefe Enttäuschung über das desolate Gespiele seiner Schützlinge nicht verbergen: „Wir wurden demontiert. Wie ich die Spieler für das Derby gegen Hertha wieder aufbauen soll, weiß ich noch nicht.“ Das steigt am Mittwoch um 20 Uhr im Olympiastadion. Und wenn nicht ein Wunder geschieht, wird es auch dort für die Mariendorfer unter Flutlicht zappenduster.
FC Bayern München - Blau-Weiß 90 Berlin 11:2 (4:0)
FC Bayern München: Aumann - Augenthaler (46. Kögl) Nachtweih, Grahammer, Pflügler - Reuter, Flick, Thon, Eck Wohlfarth, Ekström (69. Wegmann); Blau-Weiß 90 Berlin: Gehrke - Levi - Holzer, Clarke (46. Wilbois), Schlegel (50. Gartmann) - Adler, Gaedke, Schlumberger, Haller Stark, Dinauer; Zuschauer: 11.000
Tore: 1:0 Ekström (4.), 2:0 Thon (21.), 3:0 Ekström (31.), 4:0 Thon (34.), 4:1 Dinauer (48.), 5:1 Wohlfarth, 6:1 Nachtweih (69.), 7:1 Thon (72.), 8:1 Wohlfarth (73.), 9:1 Wegmann (77.), 9:2 Adler (82.), 10:2 Thon (85./Foulelfmeter), 11:2 Thon (89./Foulelfmeter)
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen