: Kapielski kuckt Kabel
■ Folge 2: Die HdKl-Programme
Wiederholung: Kabel reinstöpseln, anknipsen - Schneetreiben. Richtig, setzen! Die Frequenzen der Kabelsender müssen gefunden und plaziert werden. Mit Hilfe der Testbilder, der Sonderlogos links oben im Bildschirmeckchen und des Programmhefts können wir die (in Berlin) derzeit 23 Programme mit Namen versehen. Die uns bekannte Welt reduziert sich auf 1, 2, 3, SAT 1 und Ost 1 & 2. Früher war dieses uns so vertraute fossile Weltbild entstanden: SPD guckt 1. Programm; die CDU schart sich ums ZDF; die FDP-Wähler der Mende-Ära, die Jusos und Naturfreundejugend sowie Deutschlehrer gucken 3. Programm. Kommunisten 1. Ost; Reichsbund der Kriegsblinden Ost2. Nun hatten aber - sofern sie fernsahen - noch andere immerzu Ost 2 laufen: Kommunarden, Altanarchisten vom Kropotkinschen Stamme sowie die legendären „umherschweifenden Haschrebellen“. In diesen Gesellschaften hatte sich eine neue Art des Fernseguckens entwickelt; man war der Bekenntnisprogramme satt, auch Spielfilmen und narrativen Narreteien zu folgen faul und erkannte präzise, worauf es ankömmt: „Hauptsache die Kiste looft!“ („HdKl“)
Einschub: Da gibt's überhaupt nichts - wir benötigen den Faustkeil, die Fernbedienung. Nur damit können wir durch die Kabel gleiten, gewisse Effekte erzielen, von denen noch die Rede wird sein müssen. Ich persönlich habe mir die HdKl -Programme in den Zwanzigern programmiert und fege zippend immer wieder mal hindurch, wenn's vorne im ernsten Bereich zu blöde wird. Von diesen HdKls gibt's auf Kabel eine entzückende Vielfalt.
Beispiel: Screen Sports. Überträgt mit Werbung vermengt Sportarten, wo naturgemäß sehr wenig passiert. Golfrasenstimmung kann das Gespräch erfrischen, die tristen Tage begrünen. Bei den ewigen Autorennen erlebe ich ein wunderbares Nur-so-da-Sitzen und profitiere mit weiser Entspannung: „Ei, so ist's halt draußen in der Welt!“
Dann haben wir noch Sky-Channel und Super-Channel und Eureka und noch welche, die uns total oder teilweise mit Sport versorgen. Aber mehr so stehende Arten. Sehr redundant, man verpaßt beim besten Willen nichts.
Zum HdKl-Komplex gehören ohne Zweifel die Musikvideokanäle (MTV, Tele 5). Einer davon zuckt rund um die Uhr. Wenn man nachts vollfett, aber umtriebig rumhockt, ist es gut mit den Weltschmerzzuckungen, den Angeberattitüden, Wackelbildern und Arschwackeleien um einen guten Platz in der musikkapitalistischen Arena. Sonst aber mir persönlich und nüchtern betrachtet: widerlich.
Einschub: Es ist immer klarer auszumachen, daß auf diese Musik eine noch zu zeugende Generation mit Schreien um Ruhe reagieren wird; sie werden ihre fetten New-Wave-Väter mit ihren blöden Platten- und CD-Sammlungen und ihren Spex -Heften und ihren Casios hassen wie die Pest.
Auf dem ZDF-Musikkanal kann man sich dem Zauber der Operette aussetzen. Angenehm in Sommernächten der TV 1 -Kanal mit seinem Türkenprogramm türkische Gesänge und Orchester, vermengt mit außergewöhnlicher Reklame; der Gemüsehandel wirbt mit quadrierenden Videotricks, auf die Tomatenauslage in Anwendung gebracht.
Nun ist folgendes zu benörgeln: Alle diese Scheißsender bis auf Musikvideo - drängeln sich in die Hauptsendezeit und hören nachts um halb eins auf. Es fehlt was für die Nacht. Sowohl HdKl-Programme als auch Spielfilme in der Art, wie es die Kinos mit thematischen Nachtprogrammen ja längst abgeprobt haben. Und die HdKls wären, konsequent gedacht, auch noch so zu gestalten: Ein Programm sendet Kaminfeuer währende der Dunkelheit, am Tage dann vielleicht Aquarium oder Kochherdfenster mit aktuellem Bratgut.
In summa: Auf einem großen Teil der Programme ist man die Botschaften ganz los; je nach Auffassung sieht man diese Kanäle als großen Quatsch oder gar nicht an. Das HdKl-Gucken reinigt das Fernsehgucken aber auch allgemein und lehrt uns die 1., 2. & 3. Programme mit anderen Augen zu sehen. Jenseits von Gut und Blöde. Und diesseits!
(Fortsetzung folgt)
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