Nur normal

■ Diepgen im Bauhaus in Dessau

Erinnerlich ist noch der Slow-Fox des Berliner Regierenden Bürgermeisters Diepgen vor der 750-Jahr-Feier: Fährt er oder fährt er nicht - nämlich nach Ost-Berlin zur Eröffnung der dortigen 750-Jahr-Feier. Damals fuhr er nicht, denn die Statusfragen erwiesen sich wieder einmal als so beherrschend wie ein Waschzwang. Jetzt fuhr er nach Dessau. Sein erster öffentlicher Auftritt in der DDR.

Begrüßenswert. Diepgen ist auf dem besten Weg, den politischen Handlungsspielraum zu gewinnen, den der Bürgermeister von Ingolstadt schon hat. In einer Zeit, wo die DDR-Wirtschaft und die der Sowjetunion die Bundesrepublik und die EG brauchten, kann man in Berlin nicht so tun, als ob die Blockade drohe. Die Bundesbindung ist ein Faktum, auch wenn völkerrechtliche Eiertänzer nicht von ihren Figuren Abschied nehmen mögen. Und West-Berlin ist längst keine Bastion, sondern eine Stadt, die um ihre städtische Bedeutung kämpft. Mithin betreffen Statusfragen die Kleiderordnung, über deren modische Qualität allmählich gestritten werden darf.

Leider überlagert die Statusproblematik die kulturelle Geste: die Eröffnung der West-Berliner Bauhaus-Ausstellung im Dessauer Bauhaus. Der Bau in Dessau bleibt eine Ruine deutscher Modernität. Die verhaltene Freude über „einen kleinen Schritt zur Normalisierung“ macht vergessen, wie groß der kulturelle Rückschritt war und ist, der dieses Land an die Vergangenheit bindet.

Klaus Hartung, Berlin