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HELLERS KLEINE TIERSCHAU

■ A.Hellers Body & Soul in der Freien Volksbühne

Wie ist der Neger? Tief, ganz tief, meter-, ja negertief in allem. Wenn er traurig ist, ist er jaultraurig, wenn er lustig ist, quietschlustig, und egal in welchem Aggregatszustand, immerzu muß er singen, tanzen, springen, lachen, zähnefletschen, hopsen und sich anziehen wie der Sarottimohr. Buntschillernd, paillettiert, gleißend. Dazu die Extremitäten herumrenken, in Pinguinkostüme steigen und piiiep kreischen, sich in wurstpellenenge schwarzweiße Trikots zwängen und mit stilisiertem Pfeil und Bogen fuchteln, Kapuzen und Fransenmähnen über den Kopf ziehen und iiieehjaah iiieehjaah brüllen, faulen Zauber und Zinnober abziehen. Den Blues singen, den kohlenkellerschwarzen, dekorativ und zentnerschwer wird das durch- und weggelitten, der Gospel muß auch dran glauben, Hallelujaah, praise the Lord, praise Jesus , gestept wird und gerapt, klackediklack und Yeah, man, und natürlich: I have a dream.

Body and Soul, emotionale hundert Minuten, die schwarze amerikanische Kultur usw. prahlt A.Heller, und die allenfalls mittelmäßige künstlerische Begabung mit der Eigenschaft, Leuten das Geld aus der Gesäßtasche zählen zu können, schwingt sich auf zu seinen Lieblingsphrasen von Virtuosität, Poesie, Erotik, Wildheit und alles, mit denen er seit Jahren sein Wesen treibt und immer wieder exakt dasselbe hervorbringt: eitles Gehampel und großmannsüchtiges Getue auf anderer Leute Knochen. Stink -konventionelle Kaspereien, die er als erneuernd und wasweißichnichtnoch ausgibt.

Body and Soul ist abgefeimt durchproduzierter Kitsch, bieder, brav, aufgeblasen und genau in den Klischees sich gebärdend, die zu vermeiden er vorgibt. Dick und komisch, tolpatschig und rührend, mundoffen und augenrollend durfte der Kulturneger schon immer sein, und genauso hält es auch Heller. Groteske Karikaturen bildet er ab, Selbstironie heißt das dann, und die geschmeidige, sehnige Variante darf auch nicht fehlen, schließlich ist man zum Negerkucken in den Zoo gekommen. Ein alter Weißbart mit Wampe und flinken Beinen singt Mr.Bojangles und hüpft dann mit einem Sechsjährigen herum, neinissesnichsüüß, issesnichherrlich? Die Frau als Pfau zeigt mächtig die Möpse, allgegenwärtige Erotik ist das, belehrt mich Heller. Nichts gegen die Darsteller, die Sänger, Tänzer, die Musiker, sie schwingen rechtschaffen die Keulen, jaulen wie abgestochen vor Inbrunst, Glück und Soße, werfen prima Handküsse, soweit alles große Klasse, nur daß die Dramaturgie sie in eine aalglatte Fassade zwingt, die auf billigste Effekte und älteste Muster setzt. Das Tenorsaxophon klingt wie Schmierseife, geplante, durchsichtige „Pannen“ werden eingebaut, hahaha, hamwajelachtwa. Und immer ist die Mischung so dosiert, daß die gespielte Eindringlichkeit augenblicklich verwischt: jede Nummer subtrahiert sich mit der vorherigen bzw. folgenden auf Normalnull, Triefsinn wechselt sich ab mit Klamotte, unverbindlich, gefällig, wohlfeil und sofort vergessen.

Ein paar Gaukler dürfen bei einer richtigen Hellerei nicht fehlen; Mummenschanz haben sich die Kasperköppe, die als lebende Requisiten herumstolpern, zurecht selbst genannt.

Mit When The Saints Go Marching in ist der müde, langweilige, hohle und verlogene Kram dann am Ende seiner Kunst, nein, Heller ist sich für nichts zu blöde, den ausgelutschtesten Krempel schmeißt er zum Haudraufundschluß -Mitklatschen in die Bresche, in den albernsten weißen Rüschenkostümen läßt er alle noch einmal antanzen, johlen, grinsen, winken, den Neger raushängen lassen eben. Europa, worin rechts, in der Mitte und links immer wieder die kaltschnäuzige Oberlehrerkultur erste Geige spielen will, bedarf dringend einer neuen Sinnlichkeit, wienert wichtig Heller. Mag sein; aber wessen weder Europa noch irgendjemand sonst bedarf, ist die Schmieriglyrik eines kaltschnäuzigen, oberlehrerhaften Abgreifers, Dummschwätzers, Imponierlümmels und bartumränderten Arschgesichts, das uns den Neger für dumm verkaufen will.

wiglaf droste Body & Soul bis zum 27.8. dienstags bis sonntags täglich um 20 Uhr, samstags und sonntags auch um 16 Uhr im Theater der Freien Volksbühne, Schaperstraße.

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