: Kurden sind Verlierer des Waffenstillstands
■ Bevorstehende Feuerpause ist Hiobsbotschaft für die mit Iran verbündeten irakischen Kurden / Schwere Kämpfe an der türkischen Grenze / Zahlreiche Opfer unter Zivilisten und Kämpfern / Volksmudjahedin wollen den Kampf von iranischem Boden aus fortsetzen
Paris/Bagdad (afp/ap) - Im kurdischen Teil Iraks finden zur Zeit nahe der türkischen Grenze schwere Kämpfe zwischen irakischen Truppen und den mit Iran verbündeten kurdischen Separatisten statt, so gestern in Paris Hoschiar Sibari, ZK -Mitglied der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK). Seit Samstag liefern sich nach diesen Angaben im Raum Schirwan und Sidekan „zwölf Brigaden der irakischen Armee und 18 Bataillone kurdischer Söldner“ schwere Kämpfe mit der PDK. Am Samstag hätten die Iraker im Raum „Kanirasch und Deryasor chemische Waffen, Bomben und Artillerie eingesetzt, was zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung und in den Reihen der Kämpfer forderte“.
Die Nachricht von der bevorstehenden Waffenruhe im Golfkrieg ist für die Kurden in den Bergen Nordiraks eine Hiobsbotschaft. Seit Jahren haben sie einen Guerillakrieg gegen die Regierung des Militärmachthabers Saddam Hussein geführt - zuerst mit Hilfe des Schahs von Persien, später unterstützt von der islamischen Revolutionsregierung in Teheran. Wird die Grenze geschlossen und von UNO-Beobachtern überwacht, verlieren die Kurdenrebellen ihre Rückzugsgebiete in Iran.
Iranische und kurdische Einheiten hatten im Verlauf des Krieges zusammen ganze Regionen in Kurdistan erobert, und Irak schlug erbarmungslos zurück: Gegen die Stadt Halabdschah, in die iranische Truppen am 16. März einmarschierten, wurde massiv Giftgas eingesetzt; nach iranischen Angaben wurden 5.000 Einwohner getötet. Ein westlicher Diplomat nannte ein anderes Beispiel für die harte Politik Bagdads gegen die Kurden. Um die Rebellen ihres Rückhalts in den kurdischen Dörfern in Irak zu berauben, seien Dutzende dieser Dörfer von Bulldozern plattgewalzt worden. Die Bewohner seien in neu errichtete Städte umgesiedelt worden.
Gegen die technisch hochgerüstete irakische Armee dürften die kurdischen Widerstandskämpfer allein und ohne ihre Rückzugsgebiete in Iran kaum eine Chance haben. „Ich denke, die Iraker werden gnadenlos vorgehen“, sagte der Diplomat in Bagdad.
Auf einen Fortgang der Kämpfe in naher Zukunft zählen die Volksmudjahedin. Deren Führer sitzen seit ihrer Ausweisung aus Frankreich 1986 in Bagdad. Die Mudjahedin waren in den vergangenen Monaten 100 Kilometer tief nach Iran vorgestoßen und hatten sogar Städte erobert. Deren Sprecher Ali Risa Dschafer Sada sagte, man habe große Unterstützung in Iran selbst und der Kampf werde auf iranischem Boden fortgesetzt. Siehe Kommentar auf Seite 4
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