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Kleinkarierte Kleingärten

■ „Gartenfreund“ Bücking muß nach einjähriger Probezeit seine Gröpelinger Parzelle räumen / Vereinsvorstand: Kandidat für „Ordnung im Vereinsgebiet“ ungeeignet

Das müßte schön sein, auf der knappen Hälfte des Lebens (eines eher rastlosen, durcheinandergelebten Lebens): Ein eigenes kleines 360-Quadratmeter-Reich im Grünen, ein Holzhäuschen fürs Wochenende und laue Sommernächte, Rückzugs -Idyll direkt am Blockland, ein bißchen Rasen, ein paar Margeriten, Rhododendron, Sitzen unterm Holunderbusch. Gott im Himmel, wen stört da ein bißchen Unkraut hinter den sichtschützenden Hecken? Den Vorstand und den Paragraphen 7!

Laut Paragraph 7 der Satzung des Kleingärtnervereins Wassersportverein Gröpelingen ist jeder „Kleingartenfreund“ verpflichtet, „das Pachtgrundstück im Sinne einer kleingärtnerischen Nutzung ordnungsgemäß zu bewirtschaften und in gutem Kulturzustand zu erhalten, um die Ordnung im Vereinsgebiet zu sichern“. Das klingt bedrohlich nach Ruhe, Sauberkeit und Ordnung als ersten Bürgerpflichten, nach Kleinkariertheit als Kleingärtnertugend, und Robert Bücking gehört - außerhalb seines Gröpelinger Gärtchens - eingestandenermaßen nicht zu den Leuten, die ihr Leben vor allem einer „ordnungsgemäßen Sicherung der Ordnung“ verschrieben hätten. Obwohl er als gelernter Maschinenbau-Meister einen durchaus anständigen Beruf erworben hat, arbeitet er in einem sogenannten Alternativprojekt und hat es auch ansonsten bereits mehrfach an obrigkeitsstaatlicher Charakterfestigkeit fehlen lassen. Irgendetwas paßt ihm bis heute nicht an der Atomenergie - persönliche Bekannte munkeln, Bücking könne sich nicht recht mit den gesundheitlichen „Restrisiken“ die

ser Zukunftsenergie anfreunden -, außerdem hat Bücking nie ein Hehl draus gemacht, daß der rege Bahntransport von amerikanischen Rüstungsgütern incl. zugehöriger Munition via Bremen ebensowenig seinen Beifall findet wie z.B. die Vereidigung von Bundeswehr-Rekruten im Weserstadion usw.

Was das alles mit der Kleingartenparzelle Nr. 18 Auf den Wettern zu tun hat? Wirklich gar

nichts! Als Bücking am 1. Mai 1987 sein frisch gepachtetes Gröpelinger Gärtchen bezog, war er voller guter Vorsätze eines geordneten Kleingärtnerlebens mit Rasenmähen, Unkrautjäten, pünktlicher Pachtüberweisung und angemessener Beteiligung an den Pflichten des Vereins -Gemeinschaftslebens. Subversive Anlage eines Öko-Biotops mitten in der schnurgeraden Schönheits-Or dentlichkeit bremischer Klein

gartentradition? Nichts da! Konspirative Unterwanderung deutschen Vereinsmeiertums? I bewahre! Robert Bücking wollte nichts weiter als ein ordentlicher Parzellist und Hobbygärtner werden und die einjährige Probezeit, die jedem Neu-Kleingärtner satzungsgemäß auferlegt ist, von ganzem Herzen bestehen.

Die Vorsätze nützten nichts. Das Jahr ist um, Robert Bücking muß seinen Kleingarten wieder räumen. Der Vereinsvorstand hat die Probezeit genutzt und sich ein Bild von Bücking und seinem Garten gemacht. Ergebnis: Kandidat Bücking ist als Kleingärtner ungeeignet und hat rechtzeitig ausgesprochene Warnungen nicht zur Besserung genutzt.

Nicht daß in seinem Garten die bunte Artenvielfalt einer Kuhweide herrschte. Soviel hat Bücking schon gelernt: Rasen ist bis vier Zentimeter Schnitthöhe schön, wird ab sechs Zentimeter aber schlagartig häßlich. Also ist Bückings Rasen kurzgeschoren wie ein Skin-head-Kopf. Beete im rechten Winkel sind „Kulturlandschaft“, schlagen aber bei 80 Grad schlagartig in „Barbarei“ um usw. usw.

Aber die Feinheiten! Woher soll ein gärtnerischer Newcomer wissen, daß die wunderschönen blauen Blütentrauben, deren überraschende Pracht ihm das junge Kleingärtnerherz aufgehen läßt, nichts als „Unkraut“ sind und kleine Grasbüschel zwischen den Gehwegplatten einer sofortigen Behandlung mit Unkraut-Ex bedürfen. Oder, wie es der Vorstand des Kleingartenvereins nach einer Inspektion von Bückings Garten drohend ausdrückte: „Lieber Gartenfreund, Dein Kleingarten enstpricht nicht der kleingärtnerischen Nutzung, wir setzten Dir eine Frist von 14 Tagen, um für Abhilfe zu sorgen. Es wäre doch wohl nicht in Deinem Interesse, wenn wir bei Nichtbefolgung weitere Maßnahmen einleiten müßten.“

Inzwischen hat der Vorstand „weitere Maßnahmen“ eingeleitet. Am 12. August ist Bücking in seiner Eigenschaft als Gartenfreund zum Vorstand zitiert: Dann soll über die „Modalitäten der Räumung befunden werden.“

K.S.

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