: Gift im Brunnen
■ Sechs Kreuzberger Straßenbrunnen wegen Gifts geschlossen / Chemische Reinigung im Verdacht / Umweltsenator erklärt sich wie üblich für nicht zuständig
Die Kreuzberger Gesundheitsstadträtin Dathe (AL) hat sechs Straßenbrunnen geschlossen, fünf davon, weil ihr Wasser mit chlorierten Kohlenwasserstoffen verseucht ist. Ein Brunnen in der Reichenberger Straße liegt nach Angaben der Stadträtin in der Nähe einer chemischen Reinigung.
Mit 660 Mikrogramm Dichlorethylen pro Liter sei in dem Brunnenwasser der EG-Richtwert für Trinkwasser um fast das 700fache überschritten, erklärte die Stadträtin. Als Abbauprodukt von Perchlorethylen (PER) könnte das Dichlorethylen aus einer Reinigung stammen. Straßenbrunnen holen ihr Wasser aus den oberen Grundwasserschichten.
Erstmals seien 27 der 90 Kreuzberger Brunnen auch nach chlorierten Kohlenwasserstoffen untersucht worden, erläuterte Frau Dathe zu den fünf geschlossenen Brunnen. Ein weiterer der untersuchten Brunnen wies eine überhöhte Cyanid -Konzentration auf und wurde ebenfalls dichtgemacht.
Bislang, so Frau Dathe, seien in Kreuzberg nur selten Brunnen gesperrt worden. Chlorierte Kohlenwasserstoffe sind zwar häufig giftig, werden jedoch als Löse- und Reinigungsmittel eingesetzt, etwa in Reinigungen, Autowerkstätten oder Druckereien.
Frau Dathe forderte gestern Umweltsenator Starnick (FDP) auf, den Ursachen der Brunnenvergiftungen nachzugehen und Sanierungsschritte einzuleiten. Der Sprecher des Umweltsenators, von Bargen, lehnte das gestern ab. Ursache der Verseuchung seien „relativ wahrscheinlich“ Altlasten. Diese würden jedoch vorrangig in den Zonen saniert, in denen die Berliner Wasserwerke das Trinkwasser aus dem Boden holen.
„Ich frage mich, woher die wissen wollen, daß das Altlasten sind“, meinte dagegen Frau Dathe. Sie bemängelte gestern, die Umweltbehörde habe keinen Überblick über Einsatz und Verbleib von chlorierten Lösemitteln. Wie berichtet, hatte Starnick dieses Defizit kürzlich zugegeben. Der Umweltsenator muß jedoch Anlagen kontrollieren, die diese Mittel einsetzen.
Es dauerte seine Zeit, bis er sich gestern wieder erinnerte. Zunächst hatte sein Sprecher mit der typischen Abwehrgebärde der überlasteten Starnick-Behörde reagiert und erklärt, man sei nicht zuständig.
hmt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen