: Einkaufen wie aufm Dorf
■ Der Findorffer Wochenmarkt wurde gestern mit Bier und Blasmusik 40 Jahre alt Vom Frischgemüse bis zum Küchenreiniger und „unseren Schnack kriegen wir hier auch“
„Sie wissen: Alles taufrisch“ baumelt handgeschrieben auf gelber Pappe im Gestänge eines ausladenden Schirms, der zwei Standmeter mit Riesenkürbis,
Zucchini und Möhren vor Regen und Sonne gleichermaßen schützt. Alles taufrisch - kann ich nur bestätigen. Denn ich bin langjähriges Mitglied der Findorff-Markt-Fangemeinde. Als berufstätige Dreißigerin treffe ich regelmäßig am späten Sonnabend vormittag jede Menge meinesgleichen zwischen Tomaten aus Albanien und Schinken aus dem Ammerland.
Als gestern auf dem asphaltierten Rechteck zwischen Eickedorfer-und Neukirchstraße mit bunten Luftballons und Blasmusik „40 Jahre Findorffer Wochenmarkt“ gefeiert wurde, waren die NutznießerInnen von Freibier und kleinen Geschenken der HändlerInnen allerdings überwiegend grau -onduliert. Denn Dienstag und Donnerstag sind Hausfrauentage. Manche Damen sind sicher auch schon seit 40 Jahren dabei. Damals, einen Tag nach der Währungsreform, machte sich der Schlachtermeister Johannes Meyer aus Leeste mit einem klapprigen Dreirad-Lieferwagen auf den Weg nach Bremen und schlug neben dem Torfkanal seinen Stand auf. Das Ereignis sprach sich rasch herum, schon am nächsten Tag wartete eine lange KäuferInnenschlange, ausgerüstet mit Lebensmittel
marken, auf Wurst und Mett. Bald gesellten sich Fisch-und GemüsehändlerInnen hinzu.
Heizmaterial für den Ofen wurde bereits Ende des vorigen Jahrhunderts an dieser Stelle verkauft, als dort noch braunes Wasser gurgelte: Einige hundert Torfbauern aus den Wümme-Niederungen landeten in der Saison täglich ihren Backtorf im Torfhafen an, der damals noch die gesamte Fläche vom Bürgerpark bis zur Hemmstraße umfaßte.
Kurz nach den Meyers haben die Baros aus Schwarme zum ersten Mal Milch und Quark auf dem Findorff-Markt angeboten. Inzwischen beschicken sie den Markt mit zwei Verkaufswagen voller Milchprodukten, manchmal steht auch schon die Enkelin hinterm Tresen. „Im Sommer macht's immer noch Spaß“, meint der alte Baro „im Winter nicht, wenn's kalt ist und keiner kommt. Man kann einfach nicht mehr so.“ Einige Gemüsestände können mit ihrer Angebotspalette der Frischwaren-Boutique im Karstadt-Keller locker Paroli bieten, von Qualität und Preis ganz zu schweigen. Daneben stehen aber nach wie vor die Kleinbauern mit Kartoffeln und sonst gar nichts oder mit drei verschiedenen Produkten, alle aus dem eige
nen Garten, aber auch TöpferInnen und Bio-HändlerInnen, rund hundert MarktbeschickerInnen insgesamt.
Seit zwei Jahren darf auf dem ehrwürdigen Areal auch Textiles oder den endgültigen Küchenreiniger feilgeboten werden. Denn 1986 hatte die privatwirtschaftlich geführte, Großmarkt Bremen GmbH (eine hundertprozentige Tochter der Stadt) die Marktverwaltung von der Stadt übernommen. Manche hatten damals das Ende des Grünmarktes befürchtet. Dazu ist es allerdings nicht gekommen. Großmarkt-Chef Carl -Hans Röhrßen macht sich vor gezücktem Bleistift für das Grünzeug extra stark, denn „sonst haben wir ja nur noch Plünnen hier“.
Kurz vor Carl-Hans Röhrßen ist Bernd Henke zum Findorff -Markt gekommen. Mit Nüssen und Trockenobst, einer Marktneuheit. Der gelernte Kaufmann und Ex-Student kennt inzwischen etliche Lebensgeschichten wenigstens auszugsweise. Ihm gefällt's - und der Kundin offenbar auch. „Die Mengen sind für mich als Alleinstehende wohlproportioniert“, schwärmt die Ingwer-Käuferin mit Berliner Akzent, „und unseren Schnack kriegen wir hier auch.“
Gaby Mayr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen