Zehn politische Minuten

■ Der Streit um die Mittagspause der Beamten

Einer der großen innenpolitischen Konflikte dieses Jahres, die Auseinandersetzung um Arbeitszeitverkürzung im Öffentlichen Dienst, scheint unaufhaltsam einem Ende in Lächerlichkeit zuzustreben. Die Republik wird von dem Problem erschüttert, ob die Beamten nun zehn Minuten mehr oder weniger zu Mittag speisen. Dabei läuft das Vorhaben der Ministerpräsidenten Späth (CDU) und Lafontaine (SPD) wohl nur darauf hinaus, die tarifliche an die faktische Mittagspause anzugleichen.

Soweit die Lächerlichkeit. In ihr steckt aber dennoch ein politischer Kern - und zwar durchaus unterschiedlich für die beiden Ministerpräsidenten. Der Vorschlag zielt darauf, eine Chance zur Haushaltssanierung zu nutzen, die sich mit dem Abschluß vom Frühjahr ergeben hat. Denn die Koppelung von Gehalts- und Arbeitszeitforderungen durch die Gewerkschaft hatte dazu geführt, daß die Gehaltserhöhungen in den Jahren 88 bis 90 niedriger ausgefallen sind als in der Haushaltsplanung der Länder vorgesehen. Gelingt es nun den Ländern, Neueinstellungen aufgrund der Arbeitszeitverkürzung zu vermeiden, ist das bares Geld für die Länderfinanzminister.

Der baden-württembergische Ministerpräsident hatte immer gesagt, daß er Neueinstellungen aufgrund der Arbeitszeitverkürzung verhindern wolle, sie durch Rationalisierungsmaßnahmen abfangen wolle. Anders Lafontaine. Er hatte sich während der Tarifrunde mit seinem Vorstoß gegen den vollen Lohnausgleich bei besser verdienenden Staatsbeschäftigten gerade für mehr Arbeitszeitverkürzung und mehr Neueinstellungen starkgemacht. Und nun dieser kleinkrämerische Vorstoß, um auch garantiert jeden Beschäftigungseffekt zu umgehen: Das ist eine blamable politische Selbstdemontage.

Martin Kempe