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Verhaftung wegen Indiz im Erbgut

■ Genetischer Fingerabdruck diente der Staatsanwaltschaft erstmals als Beweis für Schuld eines Täters / Zulässigkeit als Beweismittel vor Gericht fragwürdig

Als ein Stück bundesrepublikanischer Kriminalgeschichte wurde von Polizei und Staatsanwaltschaft gestern vor versammelter Presse der Erlaß eines Haftbefehls wegen Mordes gegen den 31jährigen Hans-Joachim R. gefeiert: Die Ermittlungsbehörden hatten von R. in aller Stille in Großbritannien einen genetischen Test, den genetischen „Fingerabdruck“, in Auftrag gegeben und wollen mit diesem nun den Nachweis dafür erbringen, daß R. der Mann ist, der die 21jährige Neuköllnerin Claudia Mrosek im vergangenen Februar in ihrer Wohnung vergewaltigt und anschließend in einer Laube ermordet hat. R. hatte sich im März freiwillig gestellt, nachdem die Öffentlichkeitsfahndung nach ihm ausgeschrieben worden war.

Er hatte die Tat stets bestritten und seine Mitwirkung an der Aufklärung zugesagt. So hatte er sich auch zu einer Blutuntersuchung bereiterklärt, war aber nach gestrigen Angaben von Oberstaatsanwalt Hölzner nicht darüber infomiert worden, daß aus dem Blut auch der genetische Fingerabdruck erstellt werden sollte. Welche Tatspuren, die beim Opfer gefundenen wurden und genetisch verglichen wurden, von R. stammen sollten, darüber schwieg sich die Staatsanwaltschaft gestern aus.

Der DNA Fingerprinting Test, mit dem aus Haarwurzeln, Blut und allen Körpersekreten die Erbinformationen verglichen werden können, war 1984 von dem britischen Biochemiker Alex Jeffrey entwickelt worden.

Mit Hilfe eines speziellen Verfahrens läßt sich die Abfolge der chemischen Buchstaben des Erbmoleküls Desoxyribonukleinsäure (DNA) auf einem Röntgenfilm ablesen. Das Ergebnis ist ein Streifenbild - der genetische Fingerabdruck. Die Patentrechte für das Verfahren verkaufte Jeffrey an die Firma 'Cellmark Diagnostics‘, in deren Labors die Genmuster-Vergleiche seither durchgeführt werden.

Seit Februar dieses Jahres, so die Diplombiologin von der Berliner Polizei-Technischen Untersuchungsanstalt, Hermann, bekommt 'Cellmark Diagnostics‘ auch Aufträge von bunderepublikanischen Ermittlungsbehörden. R. sei in Deutschland jedoch der erste Fall, wo „jemand“ anhand seines gentischen Fingerabdrucks „überführt“ worden sei. Herrmann bestätigte die Information des Gen-ethischen Informationsdienstes (GID) - ein Organ kritischer Gegenöffentlichkeit -, daß ein in Berlin im Aufbau befindliches Labor zur Erstellung von genetischen Fingerabdrücken im Oktober seine Arbeit aufnehmen wird.

Man verfüge jedoch noch nicht über die dazu erforderliche radiokative Sonde und die notwendige Routine und müsse deshalb mit der 'Cellmark Diagnostics‘ zusammenarbeiten. Ob die genetischen Fingerabdrücke von den hiesigen Gerichten ebenso wie in Großbritannien - als zulässiges Beweismittel anerkannt werden, steht in den Sternen.

Innensenator Kewenig zumindest hat da so seine Zweifel. In seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD erklärte er unlängst, daß die genetischen Fingerabdrücke noch „nicht hinreichend erprobt“ seien und deshalb nicht „als eine gerichtlich anerkannte Methode bezeichnet werden können“.

plu

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