Plötzliches Ende des WAA-Tribunals

WAA-Erörterung überraschend abgebrochen / BI-Anwalt spricht von Rechtsverstoß / Zentrale Sicherheitsfragen blieben außen vor / Nicht einmal die Hälfte der Themen wurde behandelt / Aktion von Robin Wood bot willkommenen Anlaß für Abbruch  ■  Von Luitgard Koch

Neunburg vorm Wald (taz) - Die WAA-Kritiker haben ihre Schuldigkeit getan, die WAA-Kritiker dürfen gehen. Überraschend und unter lautstarkem Protest der anwesenden Einwender ließ das bayerische Umweltministerium gestern das Erörterungsverfahren zur zweiten Teilerrichtungsgenehmigung für die Wiederaufarbeitungsanlage in der Oberpfalz abbrechen. Mit dem lapidaren Hinweis auf Paragraph 12 Absatz fünf der Atomrechtlichen Verfahrungsordnung beendete Ministerialrat Herrmann Basse vom Umweltministerium am 23. Tag dieses bisher längsten atomrechtlichen Erörterungsverfahren die Anhörung in Neunburg vorm Wald. „Der Verhandlungsleiter beendet den Erörterungstermin, wenn dessen Zweck erreicht ist“, verkündete er um zwei Uhr nachmittags nach einer zweistündigen Unterbrechung vom Podium aus und wünschte eine „Gute Heimfahrt“. Die VertreterInnen von insgesamt 881.000 Einwendungen waren damit entlassen. Er fügte hinzu, daß die Einwender noch ein Monat lang schriftlich aktiv werden könnten.

Anlaß zur zweiten Unterbrechung an diesem Tag war für das Ministerium eine Aktion von „Robin Wood“. Mitglieder der Umweltschutzgruppe hatten rund 25 als Atommüll deklarierte Fässer in die Halle gerollt. Daraufhin unterbrach das Ministerium die Sitzung und erklärte nach der Pause den endgültigen Abbruch.

„Wir sind entsetzt. Das, was wir erwartet haben, ist eingetroffen“, erklärte die Sprecherin der Schwandorfer Bürgerinitiative, Irene Sturm. Entsetzt über diesen skandalösen Abbruch waren wohl auch höhere Mächte: Kurz nachdem die Beamten des Umweltministeriums die Halle fluchtartig verließen, zogen dunkle Wolken Fortsetzung auf Seite 2

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auf, Blitze zuckten und es regnete sintflutartig. „skandalös und rechtlich nicht haltbar“, so beurteilte der Würzburger BI-Rechtsanwalt Wolfgang Baumann den Abbruch.

„Die Rechte der Bürger und Bürgerinnen werden durch diesen großen Rechtsverstoß mit Füßen getreten“, so Baumannn. Die schriftliche Erörterung könne nur denen in die Hand arbeiten, die eine unsichere Anlage wollen. Baumann vertrat in dem Verfahren außer den Oberpfälzer Bürgerinitiativen auch Land und Stadt Salzburg sowie eine Reihe weiterer Kommunen.

Während der Ministerialdirigent Joseph Vogl, Leiter der Abteilung Kernenergie und Strahlenschutz vom bayerischen Umweltministerium behauptete, alle Themen seien erörtert worden, verwies Rechtsanwalt Baumann darauf, daß ganze Anlagenkomplexe wie die MOX-Brennelementefabrik bisher noch mit keinem Wort erwähnt wurde. Auch die Auswirkungen der WAA auf die Umgebung wurden nicht hinreichend erörtert. Noch nicht einmal die Hälfte der Themen wurde angesprochen, so Baumann.

Von den 881.000 Einwendern - 20.000 davon waren während der 23tägigen Anhörung in Neunburg - kamen bisher nur 150 zu Wort. So konnte der BUND Naturschutz mit seinen rund 140.000 Mitgliedern seine Einwendungen überhaupt noch nicht vorbringen. Das Umweltministerium hatte Hubert Weinzierl vom BUND Naturschutz für gestern einen Termin zugesagt. Auch die Einwendungen von Greenpeace zu Großunfällen, die etwa den Absturz eines Tieffliegers auf die Anlage betrafen, wurden damit abgewürgt. Weinzierl bezeichnete die „handstreichartige Beendigung“ als „Gipfel der Arroganz“. Ebenso wie die Vetreter der Bürgerinitativen war er der Meinung, daß den Vertretern von Umweltministerium und DWK der „Boden zu heiß geworden“ ist.

Die gut vorbereiteten Einwender konnten im Laufe des Verfahrens immer mehr Schwachpunkte der Anlage nachweisen und außerdem den Termin als Farce entlarven. So wurde am Tag zuvor bekannt, daß die Siemens AG als Teil des Hersteller -Konsortiums bereits Anfang März ein Anlagenteil bestellte, das eigentlich Bestandteil der zweiten Teilgenehmigung war. „Für uns bedeutet dieser Abbruch heute den Einstieg in den Endkampf gegen die WAA“, erklärte Weinzierl. Rechtsanwalt, Christoph Werner, der die österreichische Umweltministerin vertrat, drohte, daß der Abbruch für „internationalen politischen Wirbel“ sorgen werde.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Michael Weiß erklärte, mit diesem Abbruch sei dem Verfahren „der letzte Schleier von Rechtsstaatlichkeit heruntergerissen“ worden und der DWK das Tor zur Genehmigung weit aufgemacht. Für Ende Dezember dieses Jahres erwarte die DWK die Genehmigung. Zusammen mit der bayerischen SPD Landtagsabgeordneten, Pausch-Gruber kündigte Weiß die Einberufung einer Sondersitzung im Landtag an.