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DER FLUCH DES SIEGERS

■ Architekturwettbewerb Luisenbad im Wedding

Manchmal gestaltet sich die Suche nach dem Ort einer angekündigten Ausstellung schwieriger als der Durchgang durch die Exposition selbst. Ergebnisse eines Architekturwettbewerbs für das Weddinger Luisenbad werden nun in den Ausstellungsräumen im Neue-Heimat-Haus in der Schillerstraße präsentiert. Also auf den Weg gemacht, raus aus der U-Bahn (Wittenbergplatz), vorbei an der Urania ist der Eingang schnell gefunden. Doch die freundliche Dame am NH-Infoschalter schüttelt den Kopf. Keine laufende Ausstellung unter der Ägide des Wohnungskonzerns. Auch nach rückversicherndem Telefongespräch wird die negative Antwort wiederholt. „Probieren Sie's dort nebenan.“ „Nebenan“ meint eine Planungsfirma, ein Datenbüro und eine Abteilung des Bausenators. Und siehe, da prangt auch ein DinA4 verschämt kleines, fotokopiertes Plakatchen neben der Eingangstür.

Doch die Zugangstür ist verschlossen. In einiger Entfernung gibt's drei kleine Klingelknöpfe. Schnell entschlossen bei SenBauWo III. Stock gedrückt. Sesam öffne dich. Der Gang zum Aufzug ist freigegeben. Also hineinspaziert, hinter mir schließt sich automatisch die Kabinentür. Doch ach: Der Fahrstuhl besitzt keine Wahltasten für die richtige Etage. Der Aufzug ist mittels Sicherheitsschlüssel nur für die Bediensteten des Hochhauses benutzbar. Scheinbar rechnet niemand der beteiligten Firmen mit Besuchern. Durch eine hilfreiche, richtungsweisende Hand gelange ich nach der Erlösung aus dem Fahrstuhl über zwei Treppen hinab die Ausstellungsräume. Dort bin ich dann wieder allein mit den Exponaten.

„Der Architekturwettbewerb Luisenbad“ war im Frühjahr ausgerufen worden, weil die öffentliche Hand eine traditionsreiche ehemalige Vergnügungsstätte als Stadtteilbibliothek neu nutzen will. Ein allgemein zugänglicher Veranstaltungsraum sollte bei der Gelegenheit auch entstehen.

Das Baudenkmal Luisenbad, in dem bis in die siebziger Jahre auch ein Kino (Marienbad) Platz gefunden hatte, verkam durch mangelnde Sorgfalt, Pflege und Bauunterhaltung des Besitzers und durch Bezirk und Senat zum traurigen Fassadendenkmal im Stile Potemkinscher Dörfer. Nach jahrelangem Leerstand fiel der rückwärtige Gebäudeteil von selbst ein, der Rest wurde wegen Baufälligkeit abgetragen. Die Fassade blieb stehen und wurde dann notdürftig gesichert. Das Gebäude liegt an dem trägen Flüßchen Panke gegenüber den Bildhauerwerkstätten des BBK. Das Areal wird durch großzügige, aber ungegliederte Freiflächen umsäumt.

Es scheint bei Architekturwettbewerben Tradition geworden zu sein, keinen Hauptpreis zu vergeben. So ist dies ein Zeichen dafür, daß herausragende und problemlösende Entwürfe fehlen. Es gibt keine überzeugende Arbeiten; Kompromißlösungen, auf die sich die Preisrichter nach angeforderter Überarbeitung der Entwürfe beim Architekten nach langem Ringen geeinigt haben, werden prämiert. Oft verblaßt der Glanz des Siegers bei der Preisverleihung. In unserem Fall scheinen die Preisrichter gnädig gewesen zu sein und haben den gelobten Entwurf zur Ausführung empfohlen. Aber einen 1.Preis gab's auch diesmal nicht.

Städtebaulich gesehen kommen die vorgelegten Arbeiten einer Bankrotterklärung gleich. Keine planerischen Gedanken zu einem erholungsorientierten Flußpark. Keine Ideen zu dem nach dem Bau realisierten kulturellen Doppelblock zwischen Bildhauerwerkstatt und Bezirksbibliothek.

Architektonisch wurde zumindest einer der interessantesten Entwürfe mit einem 2. Preis als Hauptpreis prämiert. Der in Berlin arbeitende Robert Niess und seine Mitarbeiter haben einen halbrunden, scheibenförmigen Erweiterungsbau hinter die wilhelmische Fassade gesetzt. Das untere Geschoß des zweistöckigen Komplexes wurde abgesenkt und das tiefe Niveau zur Rückseite hin in einen Hof fortgeführt. Ursprünglich hatte Niess geplant, den Zugang von diesem rückwärtigen Hof durch ein gläsernes Band von nebeneinander gestellten Türen zu ermöglichen. Die historische Eingangssituation erhält die Funktion des Notausgangs zugewiesen. Die zukünftigen Besucher müßten einen saftigen Umweg in Kauf nehmen. Es gelingt Niess leider nicht, seine Idee des umgesetzten Eingangs für die weiteren Funktionszusammenhänge eines Bibliothekenbetriebes konsequent zu nutzen. Der Architekt hat sich für den sonst unter Baukünstlern üblichen Gestaltungswillen wohltuend beschränkt: Die Fassadengestaltung hat er einem strengen Stil unterworfen, der auf verspielte Ornamentik fast völlig verzichtet.

Resümee: Niess Wettbewerbsentwurf könnte als der Einäugige im Reich der Blinden durchgehen. Die pseudodemokratischen Spielchen der Ausstellung könnten getrost unterbleiben, solange die Exponate derart weggeschlossen von einer interessierten Öffentlichkeit stattfinden. Natürlich wäre ein Ausstellungsort in der Nähe des zu behandelnden Patienten (Luisenbad) angesagt gewesen. Aber wer interessiert sich in den Büro- und Geschäftshäusern rund um die Urania für eine kleine Architekturausstellung über ein Projekt im fernen Wedding. So bleibt zitierend nur: „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein!“

mosch

Ausstellung „Wettbewerb Luisenbad“, Spillstraße 9-10, III. Stock, Mo-Fr 14-19 Uhr.

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