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Birmas Opposition fordert Mehrparteiensystem

■ Jubel nach dem Rücktritt von Birmas Staatschef Sein Lwin in der Hauptstadt Rangun / Studenten fordern demokratische Wahlen und Untersuchung der Massaker / Programmpartei wählt am Freitag Ne Win-Nachfolger / Lebensmittelpreise wurden gesenkt

Rangun (afp/wps/dpa) - Auch nach dem Rücktritt von Staats und Parteichef Sein Lwin, dessen blutige Amtszeit nicht einmal drei Wochen währte, will die birmanische Opposition ihren Kampf um die Einführung eines demokratischen Systems offenbar fortsetzen. Einen Tag nach der Rücktrittbekanntgabe tauchten am Samstag in Rangun Plakate auf, auf denen eine demokratische Regierung, Wahlen binnen sechs Monaten und die exakte Klärung der Frage, wieviel Menschen bei den Unruhen getötet worden sind, sowie Entschädigungen der Angehörigen verlangt werden. Wie schon bei den März- und Juniunruhen sind Leichen vom Militär umgehend abtransportiert und verbrannt worden. Darüber hinaus wurde die Freilassung aller politischen Gefangenen und ein Prozeß gegen Sein Lwin und seine „Günstlinge“ verlangt.

Der Rücktritt des für die Schießbefehle verantwortichen und gehaßten Ne Win-Nachfolgers löste am Freitag großen Jubel unter der seit Tagen protestierenden Bevölkerung aus. Am Wochenende öffneten die Geschäfte wieder und Demonstranten begannen die Straßenbarrikaden abzubauen, Lebensmittelpreise wurden um die Hälfte gesenkt. Truppen zogen aus der Hauptstadt ab, verblieben aber vor dem Rathaus und dem Insein-Gefängnis, in dem tausende Demonstranten festgehalten werden sollen. Bis zum kommenden Freitag, an dem die regierende Programmpartei einen Nachfolger ernennen will, wird mit Ruhe im Lande gerechnet. Die aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des Staatschefs, der stellvertretende Vorsitzende des Staatsrates Aye Ko und der Sekretär des Staatsrates Kyaw Htin dienten, wie Sein Lwin mehrere Jahre unter dem langjährigen Staatschef General Ne Win. Im Falle einer Niederlage des angeschlagenen Ne Win-Lagers wird der Name des Zivilisten und führenden Mitgliedes der Programmpartei Maung Maung als Nachfolger Lwins genannt. Ein Regimekritiker, der Ex-General Aung Gyi, befindet sich seit 29.Juli in Haft. UPI zufolge ist die Schar seiner Anhänger unter den Studenten und Arbeitern, die die Demonstrationen der letzten Tage anführten, jedoch gering. Zu ungewöhnlichen diplomatischen Methoden ließ sich Birmas größter Geldgeber am Samstag verleiten: Japan veröffentlichte eine Stellungnahme, wonach die ökonomische Krise für die Unruhen der letzten Woche ausschlaggebend gewesen sei. Die Schlüsselforderungen der Demonstranten konzentrierten sich allerdings nicht auf ökonomische, sondern politische Reformen sowie die Wahrung der Menschenrechte.

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