Beim Dev Yol-Prozeß

■ Bremer Beobachter in Ankara behindert / Nelken für Beklagte

Erst nach massiven Protesten der türkischen Zuschauer wurden die Deutschen in den Gerichtssaal gelassen. Ihre Kameras, sonst in türkischen Gerichtsälen erlaubt, mußten sie draußen lassen. Was verhandelt wurde, konnten sie nicht hören: Die Mikrophone in dem riesigen Saal wurden abgeschaltet.

Das berichtete der Bremer Rechtspraktikant Albert Timmer in Telefongesprächen aus Ankara. Vor einer guten Woche ist er mit anderen Prozeßbeobachtern in die türkische Hauptstadt gefahren. Gerade zu der Zeit, wo der Prozeß gegen die 723 Angeklagten der revolutionären Organisation „Dev Yol“ in eine entscheidende Phase eintritt. Denn: Gegen 74 Angeklagte haben die Militärstaatsanwälte die Todesstrafe beantragt. Seit mehreren Tagen nun halten die Todeskandidaten ihre Verteidigungsreden.

Albert Timmer und seine ReisebegleiterInnen wollen eine Delegation „normaler Leute“ sein. Gleichwohl geht ihre Anwesenheit den türkischen Justizbehörden auf den Nerv: Als nach langen Protesten die Mikros der Angeklagten doch wieder eingeschaltet wurden, marschierte eine Kompanie Soldaten in den Saal und umstellte die Zuhörerbänke.

Außerhalb des Gerichts werden sie von Geheimdienstagenten verfolgt. Kräftige Männer in Zivil lehnen ihr Ohr an die Wand der Telefonzelle, wenn eine Deutsche anruft. Einer Mitreisenden wurde ein Film aus der Kamera gestohlen, als sie ihren Apparat für einen Augenblick aus den Augen ließ.

mw