„Underbanking“

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Am deutschen Sparkassenwesen soll die (Dritte) Welt genesen

-das jedenfalls meint Helmut Geiger, seines Zeichens Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Die These ist keineswegs neu. In der modernisierungstheoretischen Entwicklungsliteratur kann sie spätestens seit den sechziger Jahren nachgelesen werden, und seit geraumer Zeit ist es Wilhelm Hankel, Ex-Chef der Hessischen Landesbank und Verschuldungsexperte, der nicht müde wird, diese Botschaft zu verbreiten. Underbanking lautet das Stichwort. Gemeint ist damit, daß der Mehrzahl der Länder der Dritten Welt sowohl die Institutionen als auch die Regeln eines „modernen“ Bankensystems fehlen. Geiger, aber auch Hankel leiten aus diesem Mangel die institutionellen Ursachen der internationalen Schuldenkrise ab. Gäbe es nämlich eine kapitalistische Banktradition in diesen Ländern, so die implizite Empfehlung der Bänker, dann würden diese Länder über ein höheres Sparvolumen verfügen können und hätten sich nicht auf den internationalen Kreditmärkten verschulden müssen.

Tatsächlich ist diese Behauptung reichlich absurd. Insbesondere die großen lateinamerikanischen Schuldnerländer weisen sehr wohl entwickelte Banksysteme auf, auch Spar- und Genossenschaftskassen finden sich in diesen Ländern. Das „banking„-Problem liegt auf einer anderen Ebene: dem unregulierten internationalen Geld- und Kreditsystem, das von den Banken der entwickelten kapitalistischen Länder dominiert wird. Dieses Bankensystem hat zu Beginn der siebziger Jahre durch seine aggressive Kreditvergabepolitik wesentlich zur heutigen Verschuldungssituation beigetragen. Und es hat Verwertungsbedingungen für anlagesuchendes Geldkapital bereitgestellt, die die Kapitalflucht der Eliten vieler Drittweltländer erst angeheizt haben. Nicht underbanking, sondern „falsches“ banking ist das Problem, das politisch anzugehen ist. Seit dem offenen Ausbruch der Schuldenkrise haben die privaten Banken ihr ökonomisches Engagement in der Dritten Welt stetig zu reduzieren gewußt. Allein die Sicherstellung der Zins- und Tilgungsströme bestimmt jetzt das ökonomische Kalkül. An neue, geschweige denn entwicklungspolitisch ausgerichtete Kredite ist seit langem nicht mehr zu denken. Die Internationalisierung der Sparkassen dürfte daran nichts ändern können.

Kurt Zausel