: SPD-Gerangel um die Bundeswehr
Grundgesetzänderung für Einsatz im Rahmen der UNO-Friedenstruppen ohne Mehrheit in der Fraktion / CDU/CSU will Truppeneinsatz außerhalb der NATO nicht per Verfassung ausschließen ■ Aus Bonn Oliver Tolmein
In der SPD gibt es Streit um den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in UNO-Truppenkontingenten. Der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Binder dementierte gestern in Bonn Meldungen, denen zufolge die SPD eine Grundgesetzänderung dazu erwägt. Zwar hätten einige SPD -Abgeordnete im zuständigen Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik eine solche Initiative vorgeschlagen: „In der Diskussion hat sich bisher jedoch keine Mehrheit für diesen Vorschlag abgezeichnet.“
Der SPD-Abgeordnete Scheer, der diesen Vorstoß zusammen mit seinem Fraktionskollegen Norbert Gansel unternommen hatte, bekräftigte gestern seine Auffassung auf einer Pressekonferenz: Die Bundeswehr könne bei solchen Friedensmissionen „nicht länger außen vor bleiben“. Scheer sagte auch, daß es ihn „nicht störe“, wenn im Rahmen eines UNO-Einsatzes Nationale Volksarmee (NVA) und Bundeswehrsoldaten gemeinsam eingesetzt würden.
Einen ähnlichen Vorschlag hatte tags zuvor der grüne Abgeordneten Mechtersheimer in einem Gespräch mit der 'Bild‘ -Zeitung gemacht: „Ich bin auch für eine deutsche Beteiligung an den UN-Truppen im Iran/Irak, wenn sich Bundeswehr und NVA gemeinsam in gemischten Verbänden daran beteiligen.“ Jetzt wurde Mechtersheimer vom Fraktionsvorstand zurückgepfiffen: „Der irritierende Vorschlag Alfred Mechtersheimers gibt nicht die Position der Fraktion wieder.“ Die Bundeswehr dürfe, so die Grünen weiter, auf gar keinen Fall militärisch an Friedensinitiativen beteiligt werden.
Das Thema bundesdeutsche Beteiligung an UN-Truppen -Einsätzen ist mit den Erklärungen von Gansel/Scheer einerseits und Mechtersheimer andererseits aber wieder in der Diskussion. Schon Anfang August hatte Bundesverteidigungsminister Scholz, der sich derzeit in den USA befindet und deswegen noch keine Stellung bezogen hat, eine bundesdeutsche Beteiligung an UNO-Truppen erwogen. Die CDU steht der SPD-Initiative, für einen derartigen Einsatz das Grundgesetz zu ändern, aber äußerst skeptisch gegenüber. Damit, so war aus CDU/CSU-Kreisen zu hören, beabsichtige die SPD einen Einsatz bundesdeutscher Soldaten außerhalb des NATO-Gebietes, außerhalb von UN-Truppenkontigenten grundsätzlich und für alle Zeiten auszuschließen. An einer derartigen „Einengung des Grundgesetzes“ habe man als CDU/CSU aber kein Interesse.
Wenig begeistert zeigt sich die CDU/CSU auch von der Idee, größere bundesdeutsche Einheiten einem UN-Kommando zu unterstellen. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Arbeitsgruppe Verteidigung Willy Wimmer, favorisiert ein Modell, daß jeweils nur eine „kleine Gruppe hochqualifizierter Bundeswehroffiziere für Überwachungsaufgaben bei Friedensmissionen“ eingesetzt werde. Auf jeden Fall müsse auch geprüft werden, „ob eine solche Teilnahme wirklich im deutschen Interesse liege“. Auch der FDP-Wehrexperte Feldmann hatte sich im Mai grundsätzlich zustimmend zu einer Beteiligung von Bundeswehrsoldaten in UNO-Verbänden geäußert. Aus dem Auswärtigen Amt war gestern keine Stellungnahme zu der neu entfachten Diskussion zu erhalten. Aus FDP-Kreisen war die Einschätzung zu vernehmen, daß das AA derartigen Plänen zwar grundsätzliche zustimme, sich aber wohl erst dann öffentlich in diese Richtung äußern werde, wenn die genauen Rahmenbedingungen geklärt und deutliche parlamentarische Mehrheiten vorhanden seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen