: Tierisch bunte Malerei
■ Otmar Alt stellt stellt in der Kunsthalle 70 Werke aus 25 Jahren aus: Tiere, Mischwesen aus Mensch und Tier, verknäult, ineinander verschachtelt, übereinander gestapelt - in überreichlicher Farbenpracht
Zeichnungen und Skizzen zeigt er nicht. Die sind noch geheimer und „intimer“ als die informellen Bilder seiner Studienjahre, von denen Otmar Alt immerhin ein Paar für die Ausstellung mit 70 Werken aus 25 Jahren in der Kunsthalle freigegeben hat. Sie sollen helfen, die allzu klischeehaften Vorstellungen über diesen Künstler zu revidieren: Otmar Alt
-das war viele Jahre fast ein Synonym für heiter farbenfrohe Bilder und Grafiken, gemalt in schablonenartigen Farbfeldern, die märchenhaft Geschichten erzählten und für Kinder und kindliche Naturen weit eher geeignet schienen als für grüblerische Erwachsene. Es gelang einigermaßen leicht, auf das Suchen nach dem vermutlichen Tiefgang dieser Bilder zu verzichten. Wie auch immer: Mehr als zehn Jahre widmete sich Alt - mit Erfolg - dieser Art Malerei und steht damit bis heute in der deutschen Kunstlandschaft ziemlich einzigartig da. Das Bekenntnis zur Fare, zur
geradezu überbordenden Buntheit, die sogar Neonfarben miteinbezog, entsprach Mitte der sechziger Jahre keineswegs den Vorstellungen deutscher Künstlersensibilität. Die äußerte sich noch immer in den abstrakten Farbflächen des Informel, und auch Otmar Alt unterlag dessen Einflüssen.
Als Student und später Meisterschüler von Hermann Bachmann in Berlin blieb er zunächst
brav in den Reihen der informellen Talente mit sehenswerten Ergebnissen - wie die Exemplare in der Kunsthalle beweisen. Bis sich der Wunsch nach Farbe, leuchtend und kräftig, nach klarer Form und umrissener Figur, Bahn brach. Kompromißlos wandte sich Alt dieser Art Malerei zu und damit vom Kunstmarkt weg - der ihn allerdings später gerne wieder aufnahm. Bald schon tauchten Tiere in seinen Bildern auf, bis heute darin die wichtigsten Darsteller.
Tiere gehörten schon immer zu seinem Leben, vorrangig solche, wie der 48jährige gerne betont, die von Natur aus nicht zu harmonischem Miteinander geschaffen sind. Daß Hund und Katze freundschaftlichen Umgang pflegen können, ist so neu und aufregend, wie es der Künstler schildert, allerdings nicht. Das mag eher auf das Zusammenleben meist gefiederter Exoten zutreffen, die er in einem Privatgehege bei Hamm pflegt. Nach rund drei
ßig Jahren Berlin ist er aufs Land gezogen, wo er seinen Tieren, darunter argentinische Strauße und indische Laufenten, viel Platz für ein Eigenleben in der Nachbarschaft der Fremdlinge gibt. Die Beobachtungen an den Tieren werden mit denen an Menschen verknüpft und erscheinen in seiner Malerei fast immer als Tiergestalten mit ausgeprägt menschlichen Zügen.
Etwa seit Beginn der achtziger Jahre hat sich das Schablonenartige und Ornamentale in einen expressiven Strich verwandelt, mit dem er seine Mischwesen in immer neuen Variationen darstellt. Das kann karikaturhaft sein wie beim „Ortsvorsteher“, einem Schwein, oder parodistisch, wie beim „Land-Lord“, einer Katze, oder auch harmlos-heiter, wenn die Lust am Malen überwiegt.
Vielfach sind die Figuren, zu denen auch die Bremer Stadtmusikanten gehören, grotesk übersteigert, und was er seinem lebenden Getier zugesteht, viel Raum
nämlich, verweigert er seinem fiktiven: Die Gestalten sind miteinander verknäult, ineinander verschachtelt, übereinander gestapelt. Sie scheinen miteinander zu ringen, stumm-verbissen. Sie suchen sich zu befreien und brauchen einander doch.
Diese Dramatik und Hintergründigkeit des Bildgeschehens zeigt sich vor allem in den großen, häufig mehrteiligen Arbeiten wie dem „Großen Westfälischen Fenster“, oder jenem Vierteiler, auf dem links eine Möwe, rechts ein Ikarus abstürzt, während in der Mitte eifrig diskutiert wird. Obwohl noch immer mit - überreichlicher - Farbenpracht ausgestattet, lösen sich diese Bilder endlich von ihrer forcierten Heiterkeit, ihrem oft genug stereotyp geformten Erzählcharakter. Hier werden Fragen aufgeworfen und Unterströmungen sichtbar gemacht, die der Malerei Otmar Alts ein Stück ihrer Maske entreißen können.
Beate Naß
Kunsthalle, bis 11. September.
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