: Scheidung auf Islamisch - in Charlottenburg
Westberliner Gericht will Iranerin mit anerkanntem Flüchtlingsstatus nach islamischem Recht scheiden / Frauen werden danach extrem diskriminiert ■ Von Helga Lukoschat
Der Arm des islamischen Rechts reicht bis in die Bundesrepublik. Mernoush Sh. aus Teheran, seit zwei Jahren in Westberlin als politischer Flüchtling anerkannt, muß erleben, wie die frauenfeindlichen Gesetze des iranischen Staates sie auf groteske Weise wieder einholen. Von dem Ehemann, den sie nach siebenmonatiger Ehe im Iran zurückließ, will sie sich scheiden lassen.
Weil beide Partner iranischer Staatsangehörigkeit sind, soll die Scheidung zwar vor einem deutschen Gericht, aber nach iranischem, und das heißt islamischen Recht, vonstatten gehen. Danach hat zwar der Ehemann jederzeit das Recht, die Ehe zu beenden, indem er seine Frau nach islamischem Ritus „verstößt“. Eine Frau aber kann sich nur mit Einverständnis des Mannes scheiden lassen oder vor einem Gericht die Aufhebung der Ehe beantragen, wenn sie eine „unzumutbare Härte“ darstellt. Als Gründe läßt das islamische Recht z.b. die Impotenz oder Homosexualität des Ehemannes gelten.
Als Mernoush Sh. vor drei Jahren von Teheran nach Westberlin kam und politisches Asyl beantragte, war einer ihrer Gründe, den Iran zu verlassen ihre Situation als Frau. Die studierte Juristin konnte ihren Beruf nicht ausüben. Im Lande Khomeinis ist es Frauen verboten, Rechtsanwältin oder gar Richterin zu sein.
Mernoush Sh. hatte Glück: ihr Anerkennungsverfahren ging zügig voran und schon nach einem halben Jahr war sie als politischer Flüchtling anerkannt. Ihre Perspektiven sind auf ein Leben hier eingerichtet: sie will Informatik studieren, sie hat einen deutschen Freund, den sie heiraten und mit dem sie Kinder haben möchte.
Aber ihr Ehemann verweigert hartnäckig die Zustimmung zur Scheidung. Er scheut keine Mühe und Kosten, die Scheidung zu verzögern oder gar zu verhindern. Mehrfach reiste er nach Westberlin und beauftragte einen Rechtsanwalt, seine Sache vor Gericht durchzufechten.
Warum diese Reaktion? „Aus verletzter Eitelkeit, aus Stolz, gekränkter Mannesehre. Ich weiß es nicht!“, Mernoush Sh. zuckt resigniert die Achseln. Obwohl sie ihrem Ehemann mehrmals geschrieben hat, daß sie nichts mehr mit ihm zu tun haben will, versucht er immer wieder Kontakt aufzunehmen und sie unter Druck zu setzen.
Juristische Feinheiten
Beim Familiengericht Berlin-Charlottenburg liegt die Scheidungssache nun seit Dezember vergangenen Jahres. Beim ersten Termin wurden die Weichen bereits gestellt: nach Internationalem Privatrecht kann die Scheidung nur dann nach deutschem Recht erfolgen, wenn einer der Partner auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Der nächste Termin steht im September an. Man läßt sich viel Zeit, damit die Rechtsanwälte und der Richter sich in die Spitzfindigkeiten islamischer Gesetzgebung einarbeiten können. Seitdem wechseln die Schriftstücke der „gegnerischen Parteien“ hin und her; man streitet sich darüber, welche Übersetzung der iranischen Gesetze die korrekte ist, welche nicht. Eine absurde Situation.
Das finden auch Rechtsanwältinnen, die mit der Situation politischer Flüchtlinge hier vertraut sind. Immerhin liege der „Lebensmittelpunkt“ von Mernoush Sh. eindeutig in der Bundesrepublik, argumentiert z.b. Irene Lehmann, die in Frankfurt für den Verein „Iranische Frauenbewegung im Ausland“ tätig ist. Die Bestimmung des „Lebensmittelpunkts“ zähle schließlich auch bei anderen Rechtsfragen und besonders für die politischen Flüchtlinge, die in absehbarer Zeit nicht in ihre Heimat zurückkehren können.
Andere Anwältinnen fürchten, daß das Internationale Privatrecht in diesem Fall nicht zu umgehen ist. Aber ein Ermessensspielraum bleibt dem Richter dennoch. Sklavisch muß er sich den iranischen Gesetzen nicht unterwerfen. Dazu verpflichtet ihn schon das Grundgesetz. Denn ausländische Gesetze, die die Menschenwürde verletzen, wie z.b. die Todesstrafe, dürfen nicht angewendet werden. Keinem Richter kann es einfallen, die Steinigung einer Frau wegen Ehebruchs - wie es im Iran möglich ist - für rechtens zu erklären. So läßt sich auch der Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes nur schwer mit einem Scheidungsrecht vereinbaren, daß in eklatanter Weise die Vormachtstellung des Mannes festschreibt.
Es ist kein Zufall, daß das Regime der Ayatollahs unmittelbar nach der Machtergreifung im Februar 1979 das Familienrecht, das unter dem Schah Ende der 60er Jahre liberalisiert worden war, abschaffte. So wurde die Möglichkeit zur Polygamie wiedereingeführt, das Heiratsalter von Frauen von 18 auf 13 Jahre herabgesetzt, die Vormundschaft über Kinder ab sieben Jahren grundsätzlich dem Mann zugesprochen. Während die Möglichkeiten der Frauen, eine Scheidung durchzusetzen, drastisch beschnitten wurden, wurde für die Männer das Recht der „Verstoßung“ erneut inthronisiert.
Noch eine Gattin
Aber es gibt im islamischen Recht auch Pflichten für den Mann: sorgt er nicht für den materiellen Unterhalt seiner Frau, kann dies einen Scheidungsgrund darstellen. Seit Mernoush Sh. in Westberlin ist, hat sie von ihrem Ehemann keinen Pfennig Geld gesehen. Und es gibt noch einen weiteren Fakt, mit dem nach Ansicht ihres Rechtsanwalts die Scheidung durchgesetzt werden könnte: im Ehevertrag ist festgehalten, daß sie die einzige Gattin ist. Nach der Heirat aber stellte sich heraus, daß schon seit Jahren eine erste Ehefrau existiert. Dieser Vertrauensbruch war für Mernoush Sh. ein entscheidender Grund, ihren Ehemann aufzugeben. Doch auch in dieser Frage gibt es Schwierigkeiten: trickreich will der gegnerische Anwalt beweisen, daß sie vor der Heirat von der zweiten Gattin wußte und trotzdem einwilligte. Die Vorwürfe reichen bis zu der Unterstellung, einen gefälschten Ehevertrag vorgelegt zu haben.
Mernoush Sh. ist von den langwierigen Auseinandersetzungen zermürbt und entmutigt. Sie ist 33 Jahre, sie möchte ihren Freund bald heiraten, sie möchte bald Kinder haben.
Wie der Vorsitzende Richter am Charlottenburger Gericht, Wilken, entscheiden wird, ist offen. Auf Nachfragen reagierte er abweisend. Kein Wort wolle er in dieser Sache sagen, lautete seine harsche Antwort.
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