: USA: AKW-Crew spielt mit dem Feuer
■ Ein amerikanischer Bombenreaktor geriet kurzfristig außer Kontrolle / Nach dem Störfall durfte Reaktor weiterlaufen
Berlin (wps/taz) - Ein militärischer Atomreaktor zur Produktion von Plutonium und Tritium in Savannah (US-Staat Nord Carolina) ist in der vergangenen Woche kurzfristig außer Kontrolle geraten. Der Vorfall ereignete sich, nachdem die Bedienungsmannschaften mehrfach vergeblich versuchten, den seit 35 Jahren betriebenen Uralt-Reaktor nach einer mehrmonatigen Stillstandphase wieder in Gang zu setzen.
Obwohl die Operateure die atomare Kettenreaktion mit sogenannten Reaktivitätsstößen in Gang halten wollten, brach die Reaktorleistung immer wieder zusammen. Später wurden als Ursache Helium 3 und andere Spaltprodukte identifiziert, die die Kettenreaktion zum Erliegen brachten. Schließlich gelang am 9.August gegen Mitternacht doch das Wiederanfahren der Anlage. Einen Tag später, am Donnerstag vergangener Woche, kam es dann zu einem plötzlichen, unerwarteten und unkontrollierten Temperatur- und Druckanstieg in dem Reaktor. Aber selbst nach dem Auftreten dieser Leistungsspitze schaltete die Bedienungsmannschaft den Reaktor nicht ab, sondern wartete, bis die Kettenreaktion von selbst wieder das Gleichgewicht erreichte.
Erst eine Woche nach dem Vorfall wurde der Reaktor am Donnerstag dieser Woche schließlich auf Anweisung des US -Energieministeriums abgeschaltet. Der Direktor der Anlage, William Kaspar, wurde nach eigenen Angaben erst einen Tag nach dem Vorfall von der Crew über die Schwierigkeiten unterrichtet. Sicherheitsgrenzen seien während der Leistungsspitze nicht überschritten worden, sagte Kaspar. Anderen Quellen zufolge hätte der zeitweilige Kontrollverlust über die Anlage unter anderen Umständen in einer Katastrophe münden können. Ein Sprecher des Energieministeriums erklärte, der Störfall hätte bei jedem kommerziellen Atomreaktor zu einer Sofortabschaltung geführt.
Durch die Beinahe-Katastrophe erhält die in den USA geführte Diskussion über die unter Sicherheitsgesichtspunkten veralteten Bomben-Reaktoren neuen Auftrieb.
Seit langem wird gefordert, die Militärreaktoren wie die zivilen Atomkraftwerke der Atonmaufsichtsbehörde NRC zu unterstellen. Das Energieministerium, das in Savannah River gleichzeitig als Betreiber und Überwachungsbehörde fungiert, wehrt sich gegen diesen Vorschlag. Es würde gewaltige Summen erfordern, die Militärreaktoren entsprechend den Sicherheitsstandards der NRC nachzurüsten.
gero
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