: Die Kreuznacher Jagd auf BlockiererInnen
Im Gerichtsbezirk Bad Kreuznach werden BlockiererInnen besonders hart verfolgt / Dafür sorgt Oberstaatsanwalt Halfmann / Jetzt durchsuchte er höchstpersönlich das Kastellauner Friedensbüro ■ Aus Kastellaun Felix Kurz
Martin Halfmann, 55, Oberstaatsanwalt in Bad Kreuznach, hat sich einen Namen gemacht: Als Hardliner bei der Verfolgung von BlockiererInnen aus der Friedensbewegung. Auch ihm selbst ist nicht entgangen, daß mittlerweile die gesamte lokale Friedensbewegung im Hunsrück empört über seine Aktivitäten ist.
„Den Leuten geht das natürlich auch auf den Keks, daß wir die verfolgen und in anderen Ländern wird nichts gemacht. Wenn also in Nordrhein-Westfalen beispielsweise Duisburg zugemacht wird (gemeint ist die Autobahn-Blockade der Rheinhausener Stahlarbeiter, Anmerkung d.R.), und der Innen und der Justizminister stellen sich hin und sagen, das ist keine Nötigung, da kann ich nur den Kopf schütteln. Da sind natürlich unsere Leute, ich meine die Hunsrücker hier, zu recht verärgert. Die sagen, die Kreuznacher sind verfolgungsgeil. Um so mehr sind die verärgert, nachdem wir jetzt auch wegen des Aufrufs zur Blokkade gegen sie vorgehen. Ich begreife das ja alles. Aber Menschenskinder, die müssen doch eine andere Möglichkeit finden. Herr Gott noch einmal.“
Und was sollte man anders machen? Es muß doch nicht immer eine Blockade oder ein Aufruf dazu sein, lautet Halfmanns Devise. Doch Tips wolle er da nicht geben. Die von der Friedensbewegung „sind ja schlauer, die haben da mehr Erfahrung“. Auch für die jüngste unerfreuliche Erfahrung im Kastellauner Friedensbüro zeichnete der eifrige Oberstaatsanwalt verantwortlich. Ohne Kommentar und Anschreiben lagen in der Post der Hunsrücker Friedensfreunde der Hausdurchsuchungsbeschluß für das Friedensbüro, ein Durchsuchungsprotokoll nebst Fotokopien der Briefe, die man dort beschlagnahmt hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt wußte niemand aus der Gruppe, daß Halfmann in Begleitung der Simmerner Polizisten, Kriminalhauptmeister Ehlen und Kriminaloberkommissar Kuhn, dem Angestellten der Verbandsgemeindeverwaltung Schneider und einem Schreiner durch den Keller in die Räume des Friedensbüros eingedrungen war. Das Durchsuchungskommando war auf der Pirsch nach Korrespondenz und der Original-Unterschriftenliste, mit der zu einer Blockade des Hasselbacher Cruise-Missile-Depots im Rahmen der gewaltfreien Aktionstage im Hunsrück vom 2. bis 11.Oktober '87 aufgerufen worden war. Die Beute der Ermittler war jedoch äußerst spärlich. Die Unterschriftenliste entdeckte man nicht. Er sei da sowieso „nicht mit großen Illusionen hingegangen“, meinte Martin Halfmann zur taz. Dann fügte er hinzu: „Nun muß ich sehen, wie ich weiterwurschteln kann.“ Halfmanns Weiterwurschteln hat für viele FriedensaktivistInnen handfeste Konsequenzen: Verurteilungen am Fließband wegen Nötigung und versuchter Nötigung aufgrund von Blockadeaktionen und seit jüngerer Zeit auch wegen des Aufrufs zu Blockaden.
Kaum eine Staatsanwaltschaft der Bundesrepublik verfolgt blockierende Friedensfreunde so hartnäckig und unnachgiebig wie die Bad Kreuznacher. „Ich kann nur sagen, die Leute haben Pech, daß sie hier wohnen“, bemerkt Halfmann dazu. Denn während das rheinland-pfälzische Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken BlockiererInnen bislang freisprach, Verfahren einstellte oder nur zu Bußgeldern verurteilte, hagelte es im Nachbarbezirk des Koblenzer OLGs jedesmal harte Strafen, die den Kreuznacher Oberstaatsanwalt jedesmal bestätigten, 30 Tagessätze pro Blokkade. Das hiesige OLG ist für Halfmann deshalb das „Mutterhaus“. Und die, die bislang BlokkiererInnen freigesprochen haben, wie der Bad Kreuznacher Richter am Landgericht, Hartmut von Tzschoppe, versteht Martin Halfmann überhaupt nicht. „Immer die strengere Rechtsprechung ist gültig, die ist ganz gefestigt.“
Knapp 190 Verfahren im Zusammenhang mit Blockaden am Stationierungsstandort Hasselbach hat die Kreuznacher Ermittlungsbehörde nach Angaben von Martin Halfmann bisher eingeleitet. Rund 60 kommen jetzt wegen diversen Aufrufen zu den Aktionen der Friedensbewegung hinzu. Irgendwann einmal hatten sich die Staatsanwälte im OLG-Gerichtsbezirk Koblenz darüber verständigt, daß Blockieren strafbar sei. Dann habe er die 30 Tagessätze pro Blockade ausgerechnet, und darauf plädiert der Mann seitdem unbeirrt. Natürlich sei da „was dran“, was die Angeklagten vorbringen, „zum Teil echt beeindruckend“. Dennoch wird Halfmann auch in Zukunft TeilnehmerInnen von Blockadeaktionen und die dazu aufrufen, hartnäckig und unnachgiebig verfolgen. „Blockieren wird ja Mode“, empört er sich. „Hier kann doch nicht jeder anfangen zu blockieren. Wo kommen wir da hin?“ Der nächste Prozeßtermin - diesmal wegen Aufruf zu Blockaden - ist der 31.August mit fünf Angeklagten beim Amtsgericht Simmern, 10 Uhr.
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