: Mit „Giftspritze“ für Schul-Elite
■ Schuldebatte in der Bremer Bürgerschaft / FDP wirft SPD „Doppelzüngigkeit“ vor / Bildungssenator Franke: „Besonderes Bildungsangebot“ der Gymnasien für eine Elite
Geht der Bildungssenator Horst-Werner Franke mit der „ideologischen Giftspritze“ herum und zerstört „alle noch lebende Artenvielfalt in Bremen“? Dies behauptete gestern in der Bremischen Stadtbürgerschaft die FDP-Bildungspolitikerin Annelene von Schönfeldt. Ihre Kritik entzündete sich an der beabsichtigten Umwandlung des Kippenberg-Gymnasiums in ein Sekundarstufen-I-Zentrum. Genüßlich erinnerte die Abgeordnete an die „Doppelmoral, die nicht mehr zu ertragen ist“: Die sozialdemokratischen Spitzenpolitiker in Bremen schicken ihre Kinder auf das Alte Gymnasium (Franke, Brückner, Kröning), auf das Kippenberg-Gymnasium (Fluß) und auf eine katholische Privatschule (Kunick). Für die Masse aber ersetze die SPD die Gymnasien durch Schulzentren.
Franke nahm die Kritik zum Anlaß für eine rhetorisch brillante Verteidigungsrede: Nur sechs Stimmen habe er auf dem
SPD-Parteitag erhalten, „zu meinem Entsetzen“ sei etwas anderes beschlossen worden als er wollte. Aber diese Vorgaben habe er „so nicht umgesetzt“. Trotz gegenteiligem SPD-Beschluß werde das bilinguale Gymnasium eingeführt als zweites „besonderes Bildungsangebot“ neben dem Alten Gymnasium: es gehe darum, das „besondere Leistungsvermögen“ des Gymnasiums zu nutzen, da werde „Elite herangezogen“, erklärte Franke auch an die Adresse seiner Partei. „Dazu bekenne ich mich.“ Es könne niemand bei einer Bewerbung erklären, „ich komme aus Bremen und bin sozial integriert“. Mit der Schullaufbahn-Kombination aus Kippenberg -Sekundarstufen-I-Zentrum und Hermann-Böse-Gymnasium könne, wer kann, in Schwachhausen ein „vorzügliches Abitur“ machen.
Die zahlreich anwesenden Kippenberg-Schüler erhoben sich nach Frankes Worten und zeigten demonstrativ den Daumen nach
unten. Der Grüne Ralf Fücks fand den Protest verständlich, die Geste erinnerte ihn aber an die „römischen Imperatoren“ und somit an das Thema: das durch elitäre Bildung produzierte Selbstverständnis dieser Schüler. Die Bremer Schulpolitik habe mit den Gymnasien deren „spezifische Qualitäten“ zerstört, meinte Fücks, und so konservative Kritik mit guten Argumenten ausgestattet. Durch seine „überfallartige“ Schulplanung habe Franke überdies, so Fücks, jede Bereitschaft zur Kooperation derer, die Schule machen und davon betroffen sind, „über Jahre hinweg untergraben“.
Franke hatte die Geste der Schüler eher schmunzelnd ertragen. Während der Präsident der Bürgerschaft, Dieter Klink, den SchülerInnen mit der Androhung von Ordnungsmaßnahmen hinauskomplimentierte, rief Franke dazwischen: „Herr Präsident, ein guter Pädagoge macht weiter...“
K.W.
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