Mittagspause-betr.: Kommentar "Zehn politische Minuten", taz vom 12.8.88

betr.: Kommentar „Zehn politische Minuten“,

taz vom 12.8.88

Oskar Lafontaine erweist sich als hochkarätiger arbeitsmarktpolitischer Demagoge. Er will die im öffentlichen Dienst vereinbarte 38,5-Stunden-Woche mit einer verlängerten Mittagspause abgelten, um Neueinstellungen und somit einen Abbau der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Lafontaine lenkt davon ab - wie Martin Kempe richtig bemerkt -, daß es eine arbeitsmarktpolitische Vorleistung der im öffentlichen Dienst Beschäftigten gibt: Die Lohn- und Gehaltssteigerungen betragen in den drei Jahren bis 1990 im Durchschnitt vergleichsweise mäßige 1,7 Prozent jährlich. Die öffentlichen Arbeitgeber haben insofern Mittel eingespart, da sie mit Lohn- und Gehaltszuwächsen von drei bis vier Prozent jährlich gerechnet haben (zum Vergleich: die Löhne und Gehälter steigen in der Gesamtwirtschaft in diesem Jahr um etwa vier Prozent).

Mit den eingesparten Mitteln könnten im öffentlichen Dienst nach den Berechnungen der ÖTV Zehntausende von neuen Stellen geschaffen werden. Deshalb muß es im öffentlichen Dienst echte Arbeitszeitverkürzungen im Sinne der 38,5-Stunden -Woche geben. Es geht dabei auch um den Einstieg in die gleichberechtigte Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen.

Wer wie Lafontaine und Späth die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in einer schlitzohrig-demagogischen Manier mit einer verlängerten Mittagspause abspeisen will, kann nicht ernsthaft beanspruchen, etwas gegen die Arbeitslosigkeit und die Diskriminierung der Frauen in der Arbeit tun zu wollen. Lafontaine vollendet gegenwärtig wohl eine typische sozialdemokratische Karriere: Von links unten nach rechts oben. (...)

Beate Jagielski, Köln