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„Strafexpedition“ in den Tegeler Forst

■ Staatsanwältin beantragte zum Teil hohe Haftstrafen wegen Entführung, Vergewaltigung und sexueller Nötigung gegen vier Männer und eine Frau

Haftstrafen von vier bis acht Jahren wegen gemeinschaftlicher Entführung, Vergewaltigung und sexueller Nötigung eines 16jährigen Mädchens forderte gestern eine Moabiter Staatsanwältin vor dem Berliner Landgericht für vier Männer im Alter von 21 bis 23 Jahren. Für eine 21jährige Mitangeklagte beantragte sie 30 Monate wegen Beihilfe.

Nach Überzeugung der Staatsanwältin wurde die 16jährige X. Opfer einer „Strafexpedition“. Dafür, daß sie mit einem anderen Mann geschlafen hatte, hätten die Angeklagten, die sie in den Tegeler Forst entführten und die dort von den vier Männer vergewaltigt und sexuell genötigt worden war, X. einen „Denkzettel“ verpassen wollen. X. war mit dem Angeklagten Manfred P. (23) befreundet gewesen und hatte sich mehrere Monate vor der Tat von ihm getrennt. Die 21jährige Mitangeklagte Petra S., die die Männer und ihr Opfer zum Tegeler Forst gefahren hatte, soll am Waldrand Schmiere gestanden haben. Nach Auffassung der Staatsanwältin war X. von zwei der Angeklagten später noch mehrmals in einer Spandauer Wohnung vergewaltigt worden, wohin sie gleichfalls von Petra S. chauffiert worden waren.

X. hatte die Wohnung am folgenden Tag verlassen können und sofort Strafanzeige erstattet. Die vier Männer waren am 30. August festgenommen worden und sitzen - im Gegensatz zu Petra S. - seither in U-Haft. Während die Männer entweder die Aussage verweigerten oder behaupteten, sich aufgrund eines ausgiebigen Alkoholkonsums an nichts erinnern zu können, wollte Petra S. nichts von den Vorgängen im Wald gewußt und auch X. bei der anschließenden Fahrt nach Spandau nichts angemerkt haben.

Bei diesen Aussagen blieben die Angeklagten auch im Prozeß, der bereits einmal im Mai anberaumt worden war, aber nach der Vernehmung von X. ausgesetzt worden war, weil die Verteidigung ein psychologisches Gutachten über die Glaubwürdigkeit der Geschädigten wegen angeblichen Drogenkonsums beantragt hatte. Das Gutachten, das X. eine „Zeugentüchtigkeit in vollem Umfang“ bescheinigte, wurde in diesem Prozeß verlesen. X. hatte auch gestern ihre Aussage erneut in vollem Umfang bestätigt.

Die Verteidiger, die die Aussage von X. gestern als „unglaubwürdig“ abtaten, forderten sämtlichst Freispruch -„im Zweifel für den Angeklagten“. Sie verwiesen darauf, daß den männlichen Angeklagten auch eine Schuldunfähigkeit wegen erheblichen Alkoholkonsums zugute gehalten werden müsse.

Das Urteil wird heute verkündet.

plu

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