: Ein Mahnmal von den Tätern?
■ Podiumsdiskussion mit Journalisten über Zukunft des Prinz-Albrecht- Geländes / Lea Rosh forderte Mahnmal für 5,1 Millionen Ermordete
Der Saal des Martin-Gropius-Baus war für die über 300 Besucher fast zu klein, drei Stunden Zeit waren zu kurz, und das Thema „Was soll aus dem Prinz-Albrecht-Gelände werden?“ war zu umfassend. Auf der letzten Veranstaltung im September 1987 hatte Kultursenator Hassemer eine Bestandsgarantie für das Provisorium der Ausstellung „Topographie des Terrors“ gegeben. Gestern abend saßen keine Vertreter der Exekutive auf dem Podium, sondern die JournalistInnen L. Rosh, T.J. Winters ('FAZ‘), K. Hartung (taz), B. Ehrenz ('Zeit‘) und K.M. Michel ('Kursbuch‘), die ihre Konzeptionen für das Gelände, von dem aus der NS-Völkermord geplant und organisiert wurde, vorstellten. Keiner plädierte für die Beibehaltung des Provisoriums als „offene Wunde“ wie jüngst der Chefredakteur des 'Tagesspiegel‘, Matthes. Selbst Winters, der das gleiche in der 'FAZ‘ angeregt hatte, überraschte mit der Forderung nach einer zentralen deutschen Forschungs-, Dokumentations- und Bildungsstätte. Das wünschte sich auch Hartung, nur „über die (Lern-)Inhalte muß man streiten“. Michel plädierte für Literatur- und Tagebücher, während Ehrenz als Zeichen eines politischen Lernprozesses eine Mahnstätte gegen Folter anregte.
„Ich verlange von diesem Land der Täter ein Mahnmahl!“ Ohne diese unmißverständliche Forderung von Lea Rosh wären gestern abend nur Forschungsschwerpunkte definiert worden. Und, so Rosh weiter, ein Mahnmal schließe ein Forschungs und Dokumentationszentrum ja nicht aus. Ein Mahnmahl für die 5,1 Millionen deutschen Ermordeten, das richtig stört, in Kombination mit einem - wie auch immer gearteten Forschungs-, Dokumentations- und Bildungszentrums schienen die meisten ZuhörerInnen zu befürworten.
Erstaunlich, wie polarisierungsfähig ein Publikum mit einem gewissen Grundkonsens doch sein kann! Alle Möglichkeiten wurden durchdekliniert: ein Mahnmal auf diesem Gelände oder eben gerade nicht; eine zentrale Forschungs-, Dokumentations - und Bildungsstätte wegen der Geschichte des Ortes oder eben doch unabhängig davon. Oder sollte man doch alles so belassen, wenn man sich schon nicht einigen konnte? Oder eine internationale Konferenz zu Hilfe rufen? Angesichts vieler ungeklärter Fragen ist es bedauerlich, daß sich nicht einmal über das weitere Vorgehen geeinigt werden konnte. Dringend scheint eine schnelle Entscheidung für ein Mahnmal nur für die unmittelbar betroffenen ZeitzeugInnen zu sein. Zwischenruf einer Betroffenen: „Wenn wir nicht mehr leben, dann werdet ihr das alles nur noch aus Büchern und aus der Theorie erfahren!“
Ulli Jossner
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