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Vergewaltigung: Eine Frau sieht zu

■ 21jährige Angeklagte wegen Beihilfe zu siebenfacher Vergewaltigung einer 16jährigen zu Haftstrafe auf Bewährung verurteilt Richter: Ohne ihre Unterstützung wäre es nicht zu dieser Tat gekommen / Gericht folgte Strafantrag der Staatsanwältin nicht

Ohne die Unterstützung der 21jährigen Angeklagten Petra J., so das Fazit des Richters in der gestrigen Urteilsverkündung in dem Prozeß um die siebenfache Vergewaltigung eines 16jährigen Mädchens durch vier Männer, wäre es nicht zu dieser Tat gekommen. Petra J. hatte die Angeklagten und das 16jährige Opfer X. zum Tatort in den Tegeler Forst chauffiert. Während die 16jährige von den vier Männern nacheinander vergewaltigt wurde, war sie am Auto geblieben, um Schmiere zu stehen. Anschließend hatte sie die Clique und ihr Opfer in Spandau abgesetzt, wo X. von zwei der Angeklagten noch mehrere Male vergewaltigt worden war.

Petra J. wurde gestern wegen gemeinschaftlicher Entführung und Beihilfe zur Vergewaltigung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Gericht war dem Antrag der Staatsanwältin von zwei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung trotz Petra J.s „hohem Schuldgehalt“ nicht gefolgt, weil die Angeklagte sozial integriert sei und eine feste Arbeitsstelle als Kantinenhelferin hätte.

Petra J. hatte nach der Festnahme am 30.August vergangenen Jahres als einzige der fünf Beschuldigten Haftverschonung erhalten. Die Annahme, daß die Tat ohne ihr Zutun zumindest in dieser Weise nicht erfolgt wäre, ist nicht aus der Luft gegriffen. Petra J. war diejenige, die die 16jährige X. mit einem Freund des Hauptangeklagten Manfred P. (23) im Bett angetroffen hatte. X. war früher mit Manfred P. liiert, hatte sich jedoch schon seit einiger Zeit von diesem getrennt. Obwohl Petra J. wußte, daß Manfred P. noch hinter X. herwar, berichtete sie diesem auf einer Fete brühwarm von dieser neuen Liaison. Anschließend erklärte sie sich auf den Wunsch P.s hin sofort bereit, ihn und seine drei Freunde zu X. zu fahren. Petra J. war die einzige, die ein Auto hatte und noch nüchtern war.

Die Männer stellten X. und ihren neuen Freund zur Rede und forderten X. auf, mitzukommen. Petra J. chauffierte wieder. Im Auto war davon die Rede, daß X. an einer Stelle, wo es schön dunkel ist, „eingebuddelt“ werden sollte, doch davon wollte Petra J. ihren Aussagen vor Gericht zufolge nichts mitbekommen haben. Am Tegeler Forst angekommen, war sie mit den Worten „ich pfeife“ zurückgeblieben, was ihr Verteidiger in seinem Plädoyer jedoch nicht als Schmierestehen verstanden wissen wollte, sondern als ein „ich pfeife, wenn ich nach Hause will“. Auch nach der Rückkehr der Clique zum Auto wollte Petra J. keine Veränderung an X. bemerkt haben, denn: X. habe nicht geweint, sondern ganz still in einer Ecke gesessen. Eine „typische Auffälligkeit“ nach einer Vergewaltigung, so der Verteidiger, sei „Heulen“ oder zumindest Schluchzen.

Nach Auffassung des Gerichts hätte Petra J. die Strafexpedition auch unterbinden können, weil sie ein „selbstbewußtes Mitglied der Gruppe war“ und sich bei den Angeklagten Geltung zu verschaffen wußte. Daß Petra J. von den Angeklagten nicht unter Druck gesetzt wurde, bestätigte ihr Verteidiger, indem er erklärte: Petra J. hätte eingegriffen, „wenn sie gewußt hätte, was vorgeht“. Bei Kenntnis hätte sie eine „gewisse weibliche Solidarität gezeigt“.

Daß Petra J. „keinerlei Solidarität mit einem Mädchen zeigte, das vier Männern ausgeliefert war, und nicht einmal auf die Idee kam, zum Telefon zu fahren“, hatte die Staatsanwältin zu ihren Strafantrag für Petra J. bewogen.

Nach ihrem Plädoyer, in dem sie zu allererst mit den männlichen Angeklagten ins Gericht gegangen war und ihrer Betroffenheit unverholen Ausdruck verliehen hatte, mußte sie sich von einem Verteidiger sagen lassen: „Eine Staatsanwältin sieht rot.“

plu

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