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Geiseldrama: WDR sollte vermitteln

WDR-Intendant sagt vor Hauptausschuß des Düsseldorfer Landtages aus / Verhalten der Journalisten soll durchleuchtet werden / Chef von ARD aktuell verteidigt Rösner-Interview / Worms fordert Rücktritt von Schnoor  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in Köln hatte nach Rücksprache mit der Polizei eine Vermittlerrolle zwischen den Gladbecker Geiselnehmern und der Polizei gleich zu Beginn des Geiseldramas abgelehnt. Wie der stellvertretende WDR-Intendant, Manfred Jenke, vor dem Hauptausschuß des Düsseldorfer Landtags am Donnerstag sagte, ist der Kölner Sender schon am Dienstag den 16.8. um 10 Uhr 15 aus der Bank angerufen worden. Eine der Geiseln bat bei diesem Gespräch im Auftrag der Gangster um die Vermittlerrolle des WDR, weil man der Polizei nicht traue. Schon zu diesem Zeitpunkt sei erkennbar gewesen, daß die Geiselnehmer die Einschaltung der Presse für ihre Ziele beabsichtigten, sagte Jenke. Man habe nach Rücksprache mit der Polizei die Vermittlerrolle „verneint“.

Die Aussage von Jenke macht deutlich, daß die Polizei jede Einschaltung von „neutralen Vermittlern“ von Anfang an verhindert hat. Wie Jenke den Abgeordneten versicherte, hätten WDR- Journalisten die Polizei in „keiner Weise“ behindert. Man sei der Polizei im Gegenteil „weit entgegengekommen“. So habe man am 17.8. in den 14 Uhr -Nachrichten die Meldung verbreitet: „Die Polizei hat die Verfolgung der beiden Gangster eingestellt.“ Eine Meldung, von der alle WdR-Verantwortlichen wußten, daß sie falsch war.

Neben Jenke sagten vor dem Ausschuß unter anderen der Chef von ARD-Aktuell Henning Röhl, ein Vertreter des Presserates und ZDF-Intendant Dieter Stolte aus. Die Düsseldorfer Landtagsopposition wollte mit ihrer Hilfe das Verhalten der Journalisten, während des Geiseldramas durchleuchten. Der Chef von ARD-Aktuell verteidigte vor dem Ausschuß seine Entscheidung, das Interview mit dem Geiselnehmer Rösner in den Tagesthemen gesendet zu haben. Durch die Darstellung, so Röhl, sei den Zuschauern „der Ernst der Lage verdeutlicht worden“.

Eröffnet worden war die Sitzung von dem Staatssekretär Wolfgang Riotte aus dem Innenministerium, der von weitgehenden Behinderungen durch Journalisten berichtete. So sei beispielsweise die Verhandlung mit den Geiseln für die Polizei in Gladbeck zeitweise unmöglich gewesen, weil die Telefonleitung von Journalisten blockiert worden sei. An der Abfahrt in Gladbeck hätten die Journalisten die Polizei massiv behindert, sagte Riotte. Faktisch habe es nach Gladbeck zwar eine Nachrichtensperre gegeben, aber einzelne Sender hätten die Absprachen durchbrochen. So habe man am 17.8., als das Fluchtauto sich auf der Autobahn in Hagen befand, durch die abgehörten Gespräche im Wageninnern gewußt, daß die Täter sich „sicher fühlten“. Dann sei in den Nachrichten(nicht im WDR) gemeldet worden, daß die Polizei das Fahrzeug weiter verfolge. Das habe bei den Tätern „große Aufregung“ ausgelöst.

In Bremen sei es durch die Vielzahl von Journalisten schwierig gewesen, in jedem Moment den Aufenthalt von Geiseln und Tätern zu bestimmen. Autobahnsperren seien mißglückt, weil Journalisten auch die Standspur blockierten und so die Polizeifahrzeuge an der Verfolgung des Fluchtwagen hinderten. Während der Staatssekretär davon sprach, daß es in Köln unmöglich gewesen sei, die Journalisten vom Wagen zurückzudrängen, berichtete Henning Röhl, die Journalisten von ARD-Aktuell seien durch Vorzeigen ihres Presseausweises durch die Absperrungen unmittelbar zum Wagen der Geiselnehmer vorgelassen worden.

Nach Auskunft des Sprechers des Düsseldorfer Justizministeriums liegen inzwischen 7 bis 8 Strafanzeigen gegen Journalisten vor. Den Journalisten wird Beihilfe und Begünstigung vorgeworfen.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Worms hat nach Abschluß der Ausschußberatungen Innenminister Schnoor das Scheitern seiner NRW-Linie vorgeworfen. Schnoor, so Worms wörtlich, stehe nun vor den Scherben seiner Politik. Demgegenüber verzichtete FDP-Fraktionschef Rodhe ausdrücklich auf eine Rücktrittsforderung und erklärte, es sei allein Schnoors Entscheidung, welche poltische und moralische Konsequenzen er ziehe.

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