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Ex-Spielbankchef verhaftet

Ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Hannoveraner Spielbank unter Verdacht der Untreue verhaftet / Anwalt vermutet politische Gründe / Staatsanwaltschaft Hannover war zuvor zunehmend unter Druck geraten  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Hannoverschen Spielbankgesellschaft Marian Felsenstein ist gestern morgen um 11 Uhr wegen des Verdachts der Untreue in einem besonders schweren Fall überraschend verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft Hannover, die wegen der Ermittlungen im Spielbankskandal zunehmender Kritik ausgesetzt ist, begründete gestern vor der Presse den Haftbefehl mit „Fluchtgefahr“ für den Fall, „daß Marian Felsenstein das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen erfahren würde“. Nach Ansicht von Felsensteins Anwalt Herwarth von Döllen stecken hinter der Verhaftung dagegen „politische Gründe“.

Felsenstein hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft in den Jahren 1983 bis 1987 bei der hannoverschen Spielbank insgesamt 44 Millionen Mark zum Ausgleich privater Schulden und Verluste entnommen und davon nur etwa 33 Millionen per Scheck wieder zurückgezahlt. Per Saldo habe die Auswertung der Spielbankunterlagen einen Schaden von 11,5 Millionen DM ergeben.

Konkrete Erkenntnisse über eine geplante Flucht Felsensteins hat die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben nicht. Die Fluchtgefahr begründet sich für sie allein aus dem Umfang des Schadens. Felsensteins Anwalt nannte die Zahlen allerdings gestern „nichts neues“ und will am kommenden Montag bereits einen Haftprüfungstermin beantragen. Von Döllen verwies außerdem auf den labilen Gesundheitszustand seines Mandaten, der jetzt in der JVA Hannover einsitzt. Sogar der Polizeiarzt, so von Döllen, habe eine Einweisung des herzkranken Ex-Spielbankchefs ins Krankenhaus verlangt.

Die Staatsanwaltschaft Hannover sah gestern keinen Zusammenhang zwischen der Verhaftung Felsensteins und der inzwischen bekanntgewordenen Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Celle. Diese hatte einer Einstellung des Verfahrens wegen Bestechlichkeit gegen den Spielbankaufseher Gerhard Roemheld nicht zugestimmt. FDP -Fraktionschef Hildebrandt zeigte sich gestern „empört über Ermittlungen, die von Borchers gegen die FDP -Landtagsabgeordnete Sigrid Schneider begonnen wurden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Frau Schneider aufgrund einer Strafanzeige, wonach sie ein internes Verfassungschutzpapier, das sogenannte „Pengel-Papier“, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben soll. Die Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte, zu denen die Veröffentlichung des Papiers den Anstoß gegeben hat, sollten nicht erneut in den Händen der Hannoverschen Staatsanwaltschaft liegen, verlangte der FDP-Fraktionschef.

Ansonsten versuchten die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen von CDU und FDP gestern in Hannover auf einer gemeinsamen Pressekonferenz vergeblich, über etwas anderes als die niedersächsische Affäre zu reden. „Es ist in höchsten Maße ärgerlich, daß uns der Schutt der Vergangenheit, diese Altlasten, vor die Füße geschüttet werden“, sagte FDP-Fraktionschef Hildebrandt. Die Stimmung und die Zusammenarbeit zwischen den Landtagsfraktionen lobte der Freidemokrat jedoch als „ausgezeichnet“. Allerdings gelte diese ausgezeichnete Zusammenarbeit nicht für das Innenministerium. Der ehemalige Spielbankaufseher Ministerialdirigent Roemheld hat gestern nun von sich aus um seine vorzeitige Pensionierung zum 1.11. d.J. gebeten.

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