: Scheiße wird im Schilf zu Erde
■ Hauskläranlage in Grasberg geplant und schon genehmigt / Mechanische und biologische Klärung / Anwohner befürchten Gestank und bakterienverseuchte Gase
In Grasberg ist der Bau einer Beseitigungsanlage für Fäkalschlamm geplant; das Konzept hat bei AnwohnerInnen und grünen Kreistagsabgeordneten massive Proteste ausgelöst. Der Schlamm wird aus den Fäkalgruben der rund 7.000 Haushalte in Worpswede, Lilienthal und Grasberg kommen, die nicht selbst an eine Kläranlage angeschlossen sind. Die jährlich anfallende Masse von 15 - 18.000 Kubikmetern wird bisher in den umliegenden Klärwerken (zum Beispiel Seehausen) entsorgt.
Das vom Lilienthaler Ingeni eursbüro Garbade entwickelte Konzept für die Anlage sieht eine Reinigung des Fäkalschlamms durch mechanische Schritte wie Rechen und Sandfang vor. Aber auch durch biologische Verfahren (Belebungsanlage, Absetzbecken, Pflanzenbecken). Der
Schlamm, der nach diesen Klärverfahren übrig bleibt, kommt in ein Absetzbecken mit Schilf-Bepflanzung. Zwischen den einzelnen Schilfhalmen werden die Rückstände wieder zu Erde, allerdings nur, wenn sie etwa zehn Jahre dort bleiben.
Die beim Klärungsprozeß entstehenden Abwässer durchlaufen ebenfalls Reinigungsstufen, bevor sie in den Fluß Wörpe abgeleitet werden. Die Erde aus dem Schilfbecken soll als Humus wiederverwendet werden. Das Ingenieurbüro Garbade bezeichnet es als „hundertprozentig sicher“, daß die Anlage umweltfreundlich arbeitet. Zu dieser Ansicht ist offenbar auch die Kreisverwaltung Osterholz-Scharmbeck gekommen. Sie hat die Genehmigung für die Anlage bereits erteilt. Die Kosten sollen zwischen 2 und 2,4 Millionen liegen. Zuschüsse aus
Bonn sind zugesagt.
Anwohner und die Kreistags fraktion der Grünen haben jedoch an dem Beseitigungskonzept einiges auszusetzen. Sie berufen sich auf eine schriftliche Stellungnahme des Worpsweder Diplom-Chemikers Dr. Udo Zietz. Zietz bezeichnet die Erteilung der Baugenehmigung als „unseriös“, da vor dem Baubeginn nicht im Labor getestet werden soll, ob die Anlage überhaupt funktioniert. Daß der Abbau des Schlamms im Belebungsbecken reibungslos abläuft, bezweifelt der Chemiker ebenfalls. Bereits in den Fäkalgruben würden durch den Zersetzungsprozeß Zwischenprodukte entstehen, die den Abbau im Belebungsbecken durch aerobe (Sauerstoff benötigende) Mikroorganismen hemmen oder verhindern können. Die Auflage, einen Ammonium -Grenzwert von 15mg/l
einzuhalten, sei unzureichend und belaste die Wörpe unzumutbar. Auch Geruchsbelästigungen können nach Zietz Ansicht nicht verhindert werden. Der Streit um die Fäkalschlamm-Beseitigungsanlage ist inzwischen Gegenstand eines Gerichtsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Ein Anwohner reichte Klage gegen die Kreisverwaltung Osterholz-Scharmbeck ein, weil sie die Baugenehmigung erteilt hat. Der Kläger beruft sich auf die von Udo Zietz verfaßte Stellungnahme und führt als weiteren Punkt den möglichen Ausstoß durch bakteriell belastete Gase an. Das Ingenieursbüro Garbade betont dagegen, daß der Schutz der Anwohner vor solchen Gasen und vor Gestank bei der Konzeption der Fäkalschlamm-Beseitigungsanlage ausreichend berücksichtigt worden sei.
I.K.
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