KOMMENTAR: Gedanken ans Gedenken
■ Vor dem Antikriegstag, dem 1. September
Gedacht werden soll eines schönen Sommertages (ja, es war warm und sonnig, hat meine Mutter immer erzählt) vor 49 Jahren. Warum ist das so schwierig? Ich bin 1949 in Quelkhorn in die Schule gekommen, sechs Jahre zuvor ist ein Mädchen aus diesem Dorf als Widerstandskämpferin hingerichtet worden, Cato van Beeck. Aber ich habe 1980 in einem Film zum ersten Mal von ihr gehört. In Quelkhorn kannte jeder jeden. Niemand hat mir von ihr erzählt, obwohl eine ganze Reihe von Leuten im Dorf versucht haben, sie zu retten. Eine Schulkameradin von Göring, so etwas gibt es, hat ihn in Berlin aufgesucht. Eine Stunde lang läuteten die Kirchenglocken, als sie hingerichtet wurde.
In meiner Kindheit habe ich von Andreas Hofer zu Mantua in Banden gehört, von Wilhelm Tell, aber nichts von der Geschichte meines Dorfes. Als ich meine Mutter nach Cato van Beeck fragte, sagte sie, sehr verzweifelt: „Das war alles so entsetzlich, man konnte darüber nicht sprechen, es war so furchtbar nah.“ Deshalb war dieses Gedenken so schwierig. Und später haben wir nur noch die Eckdaten, zeitliche, räumliche, auswendig gelernt. Und nicht mehr unsere Geschichte.
Hille Darjes.
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