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Mein Leben für den Fußpilz

■ „A Winter Tan“ oder „Ich atme mit dem Herzen“: Der Film zum Buch der Maryse Holder, die - hibbelhibbel - vom Feminismus Urlaub machte, künstlerisch wertvoll liebeslitt und darüber verschied

Eine Frau mit dunklem Lockenhaar und Karobluse. Das ist Edith. Edith raucht heftig. Das muß so sein. Alle Feministinnen rauchen. Dazu ein wahres Heim, Holz mit Büchern drin, 70er Jahre akademisch, also etwas ikebanastrohblumenerdfarben durcheinander, keine scharfen Kanten und fein gemütlich. Alle Feministinnen sind gemütlich. Sie haben große Kaffetassen und große Arbeitstische und immer eine gute Freundin.

Ediths Freundin ist Maryse. Maryse raucht auch. Maryse ist gerade in Mexiko. Maryse macht nämlich „Urlaub vom Feminismus“, „Urlaub vom gesunden Menschenverstand“ und überhaupt ganz viel Urlaub. Vor lauter Urlaub braucht sie dringend mal Urlaub. „Oh God“, sagt Maryse, „I need another vacation.“ Das sagt sie genau so. Der kanadische Film „A Winter Tan“ (deutscher Verleihtitel „Ich atme mit dem Herzen“) ist in englischer Sprache erhältlich, mit deutschen Untertiteln einer holländischen Filmdialogübersetzerfirma.

„A Winter Tan“ ist der Film zum Buch. Das Buch hieß „Give Sorrow Words“ (Rowohlt-Deutsch „Ich atme mit dem Herzen“), erschien 1979 und besteht im wesentlichen aus einem Packen Briefe der New Yorker Feministin Maryse Holder an ihre New Yorker Freundin Edith und einem Vorwort von Kate Millett. Es

wurde ordentlich ausdiskutiert und damit eins der bestverkauften Stücke moderner Frauenliteratur. Heute sind wir postmodern. Das ist viel schöner.

„Give Sorrow Words“ eignet sich offensichtlich ganz wunderbar, die Huch-ich-werde-alt-und-unglücklich-Macken einer „alternden“ (Mitte Dreißig) Feministin zu Macken des Feminismus schlechthin zu erklären, der den armen Frauen Lusthaben und Huren und Liebe und was man sonst noch mit Männern anstellen kann verbietet. Und Tanzen glaub‘ ich auch. Böser Feminismus. „Maryse Holders Briefe treffen mitten in das Tabu der von Frauen oft selbst verdunkelten Wünsche“, schrieb der SPIEGEL '79 schlauköpfig.

Maryse Holders Briefe und der Film dazu tun genau das nicht. Maryse Holder war Feministin, aber sie war eben auch 1 Mensch, 1 Charakter, 1 auf 2 dürren Beinchen durch 1 Leben staksendes Huhn und ganz bestimmt nicht die Frauen. Maryse Holder im Film (das ist Jackie Burroughs und sie ist wahrscheinlich gut) ist eigentlich gar nicht Feministin. Sie ist Frau Möchtegern-Bohemien, handgestricktes bad girl oder sad girl oder eben fatales Mädchen, immer ein bißchen aufgeregt, hibbelhibbel und ui bin ich schlampig, eine, die sich als Midlife-Crisis inszeniert, um hinterher drüber zu schriftstellern. Ma

ryse Holder im Film ist altmodische Undergroundkünstlerin. Als altmodische Undergroundkünstlerin muß man leiden. Das ist das Problem. Nicht der Feminismus. Von dem macht sie ja gerade Urlaub. Und auch der Urlaub von Ein-und-alles -Lebensphilosophien gehört zur Selbststilisierung des leidenden Poeten. Wahre Poeten müssen immer irgendwie an großen Ideen scheitern, finden immer genau das Plätzchen unter der Schmusedecke Idealismus, wo's sich besonders prächtig darben läßt. Ach, ich mag keine Künstler.

Ich mag auch nicht diesen Film.

Ich mag nicht das Dürre, Ausgemergelte, Schmallippenharte von Maryse-Marissia (das ist mexikanisch)-Jackie Burroughs. Ich mag nicht das Unruhige, immer herzig vorsichtig lächelnde Tapfersein sich selbst quälender Flachbrustfrauen. Ich mag die speckhüftigen doofguckenden mexikanischen Männer nicht. Ich mag nicht, wenn femmes-en-vacances nur für ihren Fußpilz leben. Ich mag nicht, wenn jemand alles falsch macht und ich 91 Minuten dabei zugucken muß.

Und Maryse macht ja absichtlich alles falsch. Sie stakst langbeinig, skinny und cellulitisfrei durch mexikanisches Macho-Gesumpf, raucht und säuft und marihuanat und liebt alle, die sie zurückweisen. „That's what love

is“. Nein, genau das ist sie nicht. Meine Liebe ist mit Liebezurückhaben. Das ist besser.

„Ich atme mit dem Herzen“ ist damit eigentlich kein Feminstinnen-Film (aber das verkauft sich besser), es ist eine Sammlung kunschtideologisch verbrämter und schauspielerisch prächtig

vorgetragener Penthouse-Briefe, schön voll mit 8-inch -cocks, blowjobs, Liebestechnik-Schule und ein paar arg verschwammelten Bildern zum Thema. „A cunt is a cunt is a cunt“, sagt Maryse. Irgendwie sind mir Rosen lieber.

Petra Höfer

Cinema, 20.45 Uhr.

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