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Borkener Nachlese des Hormonskandals

Grüne und Landwirte diskutieren Gegenkonzept der industriellen Fleischproduktion / Qualität statt Quantität  ■  Von Anne Weber

VertreterInnen der Grünen Nordrhein-Westfalens hatten gestern abend in Borken Bäuerinnen und Bauern zu einer Diskussion über den Hormonskandal eingeladen. Es waren zum größten Teil junge Leute, die sich die „grünen“ Ansichten zum Stichwort „bäuerliche Landwirtschaft“ erläutern ließen. Friedrich Ostendorf von der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ erklärte, daß der Hormonskandal für mittelständische Landwirtschaftsbetriebe Anlaß sein sollte, sich dem agrarpolitischen Diktat des „Wachsens oder Weichens“ zu entziehen. Bauern und Bäuerinnen sollen sich jetzt gegen die Agrarindustrie und für eine artgerechte Tierhaltung entscheiden.

Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, ehemaliger Abgeordneter des Europaparlaments und Landwirt, schimpfte auf die SPD-Agrarpolitik und speziell auf den NRW -Landwirtschaftsminister Matthiesen (SPD), der verantwortlich sei für die Industrialisierung der Landwirtschaft, indem er auf Preissenkung setze. „Der Erzeuger kann gar nicht mehr selbst entscheiden, ob er Chemie einsetzt, er muß sie einsetzen, weil das Fleisch billig sein soll“, so Baringdorf. Dementsprechend wertete er den Hormonskandal trotz „seiner bedauerlichen Konsequenzen“ für die von den Großunternehmern abhängigen Lohnmäster insgesamt als „großes Glück für die Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft“. Mittelständische Betriebe hätten jetzt die Chance, das veränderte VerbraucherInneninteresse zu nutzen: sie sollen sich auf die Produktion von Qualität statt Quantität konzentrieren. Hanno Seybold, von den Grünen, betonte auch die „wichtige Rolle der VerbraucherInnen“ für die landwirtschaftliche Produktion. Sie hätten die Möglichkeit, die „Nachfrage -Macht“ großer Fleischhandelskonzerne zu beeinflussen, indem sie „nicht länger in Supermärkten Billigfleisch kaufen.“

Die Borkener BäuerInnen und Bauern stimmten den Ansichten der Grünen im wesentlichen zu. Die Vorstellung, daß die bäuerliche Landwirtschaft entscheidend vom Verhalten der VerbraucherInnen abhängt, fand jedoch ihren Widerspruch. „Wir können uns hier in der BRD nicht als einzige gegen die Agrarindustrie entscheiden, die EG muß mitziehen“, äußerte eine Bäuerin ihre Bedenken. Ostendorf entgegnete, daß der EG -Zwist nur zwischen den Großunternehmern und Konzernen bestehe. Seit zwei Jahren setze sich eine EG-weite Agraropposition für die bäuerliche Landwirtschaft ein.

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