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Gericht von Scholz falsch informiert

Verteidigungsministerium versicherte Verwaltungsgericht: Keine Kunstflüge in Nörvenich / Antrag zum Untersagen der Flugshow daraufhin abgewiesen  ■ Aus Düsseldorf J.Nitschmann

Das Bundesverteidigungsministerium hat die Verwaltungsgerichte in Köln und Münster über den wahren Charakter des internationalen Flugtages am vergangenen Wochenende im rheinischen Nörvenich offensichtlich falsch informiert. Damit ist ein drohendes gerichtliches Verbot für das militärische Luftfahrtspektakel abgewendet worden.

Nach einem der taz vorliegenden vierseitigen Schriftsatz vom 23.August dieses Jahres hat das Bonner Verteidigungsministerium gegenüber dem Verwaltungsgericht Köln versichert, es werde während des Nörvenicher Großflugtages „keine akrobatischen Luftübungen oder Kunstflüge geben, sondern nur Darstellungen dessen, was der Flugzeugführer bzw. die Besatzung eines Luftfahrzeuges für den Einsatz und die Beherrschung ihres Waffensystems können muß“. Unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Versicherung des Bundesverteidigungsministeriums hatten in der vergangenen Woche das Verwaltungsgericht Köln sowie in der Berufungsinstanz auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster den Antrag von insgesamt zehn Anwohnern des Fliegerhorstes Nörvenich zurückgewiesen, die umstrittene Flugschau wegen unzumutbarer Risiken für Leib und Leben sowie wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerichtlich zu untersagen.

Der 20.Senat des nordrhein-westfälischen Oberlandesgerichts begründete seine ablehnende Entscheidung der Bürger-klage damit, daß der Nörvenicher Flugtag nach allen Verlautbarungen des Verteidigungsministeriums lediglich eine „Demonstration des taktischen Ausbildungsprogramms der Nato –Streitkräfte“ sei, „bei der ausdrücklich auf akrobatische Luftübungen und Kunstflüge verzichtet werden soll“. (Aktenzeichen 4 L 1330 aus 88)

Dagegen fand die Redaktion des WDR-Fernsehmagazins 'Monitor' anhand von Video-Aufzeichnungen des Nörvenicher Flugtages heraus, daß dort die spanische Flugstaffel Aguilas (“Die Adler“) am vergangenen Sonntag tatsächlich „ein riskantes Kunstflugprogramm“ absolviert hat – und zwar nach Bekanntwerden der Katastrophe von Ramstein. Luftfahrtexperten bestätigten inzwischen gegenüber der taz, Fortsetzung auf Seite 2

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daß die auf dem Videofilm festgehaltenen Kunstflüge der spanischen Flugstaffel denen der italienischen Unglücksflieger „Frecce Tricolori“ ähnelten, die in Ramstein bei der sogenannten „Crash-Figur“ die folgenschwere Kollision in der Luft verursacht hatten.

Empört hat der Leiter der 'Monitor'-Redaktion, Klaus Bednarz, Vorwürfe von Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) zurückgewiesen, die in dem TV-Magazin gezeigten Filmaufnahmen über den Nörvenicher Flugtag seien „manipuliert“ und enthielten lediglich Szenen über die vorausgegangene „Generalprobe“ vom Samstag. „Diese Behauptung von Scholz ist absoluter Quatsch“, sagte Bednarz am Donnerstag. Bis auf „eine einzige Einstellung“ seien sämtliche Filmszenen, die am vergangenen Dienstag in der 'Monitor'-Sendung als Beleg für die Irreführung der Öffentlichkeit durch das Bundesverteidigungsministerium ausgestrahlt worden waren, am vergangenen Sonntag während des Nörvenicher Großflugtages aufgenomen worden, versicherte der 'Monitor'-Chef.

In den Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in Köln und Münster hatten mehrere besorgte Bürger zuvor vergeblich versucht, den Nörvenicher Flugtag wegen der Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu verhindern. Dabei hatten die Kläger auch eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, daß es sich insbesondere bei den spanischen Luftstreitkräften um eine „Kunstflugstaffel“ mit sogenannten „Luftakrobaten“ handele.

Die Verwaltungsrichter in Köln und Münster verließen sich bei ihrer Beurteilung des Nörvenicher Flugprogramms nach eigener Aussage ausschließlich auf die Versicherungen des Bundesverteidigungsministeriums, es werde dort keine Kunstflüge oder Luftakrobatik geben: „Die verantwortlichen Luftfahrzeugführer werden weder an diesem Tag noch an anderen Tagen auf Show oder in der befürchteten Form schneidig fliegen.“ Inzwischen hat das Verteidigungsministerium selbst eingeräumt, daß es während der „Generalprobe“ zum Nörvenicher Flugtag am Samstag speziell bei der spanischen Flugstaffel eine Übung gegeben habe, die anschließend aus dem Programm genommen worden sei. Begründung: „Keine besondere Begründung“, heißt es dazu im Bonner Verteidigungsministerium.

Zum Zeitpunkt seiner Erklärung an das Kölner Verwaltungsgericht war dem Bundesverteidigungsministerium nachweislich bekannt, daß in Nörvenich die in Fachkreisen als „Kunstflugstaffel“ weithin bekannten spanischen „Adler“ in Nörvenich an den Start gehen sollten. Nach vorliegenden Informationen erfolgte die Zusage der Spanier bereits am 24.März dieses Jahres; das Bundesverteidigungsministerium genehmigte das gesamte Flugprogramm für Nörvenich am 15.August dieses Jahres, ehe es am 23.August seine Versicherung gegenüber den Verwaltungsgerichten abgab, es werde in Nörvenich keine Kunstflüge geben.

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