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Brief an Alternativ Bus Reisen

■ Auch Alternative können nich mit Behinderungen umgehen

Liebe Leute,

Wenn Eine eine Reise tut, dann kann sie was erleben!

Ich habe mit Euch schon einige Reisen unternommen: nach Griechenland, Marokko, Ägypten und jetzt nach Peru und es war schon eine Reise wert. Meine Reise im Juli nach Peru hatte ihren Höhepunkt, nicht etwa weil ich mich vor Begeisterung nicht retten konnte, nein dieser Höhepunkt sah anders aus. Ich bin noch immer sehr betroffen über das was ich dort erfahren mußte.

Wir waren mit Reiseleiter 19 Personen und ich habe mich sehr gefreut auf die Reise, doch ich mußte bald feststellen, daß ich mich nicht zu freuen hatte. Wie Ihr vielleicht wißt, habe ich eine Körperbehinderung und durch meine Lebens-und Reiseerfahrung weiß ich, welche körperlichen Belastungen ich mir zumuten kann und welche nicht.

Auf dieser Reise mußte ich allerdings die Erfahrung machen, daß der Reiseleiter und die Mitreisenden mit mir und meiner Behinderung nicht konfrontiert werden wollten. Mir wurde es auf sehr subtile Art und Weise vermittelt, daß meine Anwesenheit als störend empfunden wurde, indem kein/e Mitreisende/r bereit war, mit mir das Hotelzimmer zu teilen, mir nur widerwillig kleine Hilfestellungen zu gewähren, z.B. mir die Hand zu reichen, um besser einen steilen Abhang hinauf zu kommen.

Fast zum Ende der Reise trat der Reiseleiter auf mich zu und unterstellte mir fragend, daß ich wohl von der Reise nichts gehabt hätte, da ich an einigen Fußmärschen nicht teilnehmen konnte. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, daß einige Mitreisende an ihn herangetreten waren, weil sie meine Behinderung als störend empfanden. Ich stelle mir die Frage, auf was ich aufmerksam gemacht werden sollte. Auf „mein angebliches Problem“, strapaziöse Fußmärsche nicht zu bewältigen? Oder auf das Problem, daß die Mitreisenden keine 5000 DM bezahlt haben, um mit einer Behinderten zu reisen, bzw. darauf Rücksicht nehmen zu müssen. Der Reiseleiter war der Meinung, daß ich mich nicht genug über die Strapazen dieser Reise erkundigt hätte und das Ihr versäumt hättet, mich darüber aufzuklären. Er war der Überzeugung, wenn ich genauer über die Reisebedingungen Bescheid gewußt hätte, hätte ich diese Reise nie angetreten. Er zog die Konsequenz daraus, bei seiner nächsten Reise Gesundheitszeugnisse von den Mitreisenden zu fordern. Sind wir schon wieder so weit, daß Menschen selektiert werden anhand von Behinderung, Hautfarbe, Bildungsgrad, Kreislaufschwäche und Allergien gegen Mückenstiche?

Mir wurde unterstellt, daß ich als Behinderte, wenn ich in die 3. Welt reise, gefährdeter bin für Überfälle, Vergewaltigung und Krankheit. Dabei sah die Realität ganz anders aus. Bestohlen wurde nicht ich, sonders andere Mitreisende. Ich gesundheitlich stabil, andere Mitreisende mit Fieber und Durchfall im Hotelzimmer.

Welche Konsequenz werden ich und andere Behinderte in Zukunft daraus ziehen müssen und welche zieht Ihr daraus?

Mit freundlichen Grüßen Eure Reiselust/frustige Gunda Röttjer

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