: Scherfs „kapitalistischer Ausweg“
■ Während MBB Familientag feierte, hatte die Deutsche Friedens-Union zum Friedenstag und zur Debatte über Daimler/MBB geladen / Neue Rüstungs-Konzentration in Bremen durch High-Tech
„Das war wie beim Schichtwechsel“, fand der sozialdemokratische Friedensaktivist Armin Stolle. Als er am Sonntag vormittag Richtung Schlachthof fuhr, bog ein Auto nach dem anderen links ab Richtung MBB/Erno: „Familientag“ war dort angesagt, und Zehn-bis Zwanzigtausend
kamen. Das Fotografieren hatte die Werksleitung streng untersagt, aber angucken konnten sich die familiär Schaulustigen die berühmte Fertigungshalle 20a der Airbus -Flügel, die für den Besuchstag mit Schautafeln ausgestellte Focke-Wulf 16, das erste Bremer Verkehrsflugzeug von
1924, das die Azubis der Firma in Handarbeit nachgebaut hatten, und natürlich den Arbeitsplatz von „Pappi“.
Im Kulturzentrum 'Schlachthof‘ hatten sich derweil trotz Breminale und herrlichem Sonnenschein rund 80 Friedensbewegte aller Generationen eingefunden. Eingeladen hatte die Deutsche Frieden-Union (DFU) unter dem Motto: „Bremen muß sich entrüsten.“
Der Bremer Hochschullehrer Rudolf Hickel als „entschiedener Gegner der Fusion Daimler-MBB“ kritisierte, wie die High -Tech-Orientierung Bremens und der geplante gigantische Konzentrations-Prozeß bei Daimler/MBB wieder neu die Produktions-Interessen auf den Rüstungs-Bereich konzentriere. Hickel sah „für die Gewerkschaftsbewegung nur eine Chance zum Überleben, wenn klar wird, daß Konversion (..) sogar mehr und sicherere Beschäftigung bedeutet.“ Aus eigener Erfahrung an der Universität („Ich weiß, wovon ich rede“) beschrieb Hickel, daß Forschungsprojekte „nur im Dunstkreis der Handelskammer und bestimmter Unternehmen eine Chance“ hätten, nicht aber Projekte zur alternativen Fertigung.
Bremens zweiter Bürgermeister Henning Scherf wollte mit der Bewertung der geplanten Daimler-MBB-Fusion „etwas behutsamer“ umgehen: Auch das Diversifikations-Konzept der Vulkan-Werft, also der Versuch, für andere als militärische Produkte Herstellungs- und Vermarktungschancen durchzusetzen, „geht nur - so peinlich das ist - durch den gesicherten rüstungspolitischen Anteil.“ Scherf
warnte „auch Wedemeier“ vor Eile und wollte die Verhand lungen um den bremischen MBB-Anteil zu einem „sehr hohen Preis“ geführt wissen: für die Möglichkeit, das zu beeinflussen, „was dann an Umbau in Bremen gemacht wird“. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre mochte Scherf keine Hoffungen in eine Kontrollmöglichkeit des Rüstungskonzern MBB durch die Bremer Regierung setzen trotz Aufsichtsratssitz: „MBB ist der skrupelloseste und offensivste Waffenhändler der Bundesrepublik, ich kenne nichts Schamloseres, Perverseres an Waffen-Verherrlichung, mit MBB alleine haben wir die geringsten Chancen, da bleibt alles, wie es ist. Wir
müssen unter den kapitalistischen Bedingungen einen Ausweg suchen - mit dem Marktmacher“, also mit Daimler.
„Dann muß der Bremer Senat aber klar alle Abrüstungs -Ansätze ermutigen und nicht öffentlich das Gegenteil äußern“, entgegnete aus dem Publikum der Friedens-Aktivist und SPD-Unterbezirks-Vorsitzende Armin Stolle: „Senat und Bürgermeister sind ungleich öffentlichkeitswirksamer als alles, was Parteien und Gewerkschaften sagen.“
Ca. 20 FriedensaktivistInnen zogen nach der Debatte vor das Werkstor von MBB und verteilten dort am Aufsgang des „Familientages“ Flugblätter gegen den „Jäger 90“.
S.P.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen