: Füchse aus Reinickendorf wollen nach oben
■ Oberliga-Fußball: Verantwortliche sind Profis, Spieler Nachwuchskräfte Gemeinsamer Plan: Aufstieg in den besser bezahlten Fußball
Frag‘ einen talentierten, jugendlichen Fußballspieler in Berlin, ob er gern bei Hertha BSC kicken möchte! Die Antwort wird lauten: Neeee... Frag‘ einen anderen hoffnungsvollen Knaben, ob er sich eine sportliche Zukunft bei Blau-Weiß 90 vorstellen könne! Die Antwort wird lauten: Neeee... Also beide Proficlubs dieser Stadt sind vom Nachwuchs nicht sonderlich gelitten. Wer als 16- bis 22jähriger halbwegs gegen den Ball treten kann, versucht sein Glück seit langem bei einem Verein in der Bundesrepublik.
Nun soll das anders werden. Die bislang eher im Dunkeln dümpelnden Reinickendorfer Füchse sind aufgebrochen, Berliner Fußballern zur Bodenständigkeit zu verhelfen und ein Sammelsurium einheimischer Talente zu schaffen - und zwar in der zweiten Bundesliga. „Das ist machbar“, schwört Trainer Hans Oertwig und denkt gleich praktisch:„Diese Methode ist billiger als die bei Aufstieg üblichen Verpflichtungen abgewrackter Stars, an denen nur Spielervermittler und Konsorten verdienen.“
Im Gegensatz zu den meisten Oberliga-Kollegen ist Hans Oertwig hauptberuflich bei seinem Verein beschäftigt. Dieser Status hat ihn aber noch nicht in den Starkult getrieben. Seine Schützlinge spüren und schätzen das große emotionale Engagement des 35jährigen, der am Spielfeldrand wie eine gesengte Sau herumspringt, brüllt, seinen Tränen (nach Niederlagen wie nach ganz besonderen Siegen) schon mal freien Lauf läßt. „Ein Verrückter“, urteilt ein Spieler und meint das wirklich nicht negativ.
Komplimente seiner heißgeliebten Jungs gibt Oertwig immer gern zurück: „Die haben Begeisterung drin und freuen sich auf jeden stinknormalen Trainingstag.“ Und so spielen sie dann tatsächlich: offensiv, frech, leidenschaftlich, dabei technisch versiert und überwiegend fair. Kenner der Materie besuchen die Füchse-Spiele, auch weil sie dort das Gefühl haben, es ginge nicht nur ums Absahnen. Aber - um Geld geht es klaro, wenn man in die zweite Bundesliga will.
Daher rechnet Manager Gerd Achterberg, 47, gleichzeitig Trainer der A-Jugend, wie ein echter schlauer Reinickendorfer Fuchs: „Früher gab es für die Vereine der ersten und zweiten Liga rund 440.000 Mark vom Fernsehen, nach den neuen TV-Verträgen hat sich die Summe auf 732.000 Mark erhöht.“ Ergo, so kalkuliert Achterberg, reichen im Falle des Aufstiegs 1.400 Zuschauer im Schnitt, um den veranschlagten Etat von 1,4 Millionen Mark zu erfüllen. Behilflich sein soll beim Aufgehen der Plus-Minus-Null -Rechnung ein erlauchter Kreis finanzkräftiger Sponsoren, deren Abschreibungstricks zugunsten der Füchse Achterberg auf sage und schreibe 200.000 Mark beziffert.
Pläne, Pläne, Pläne. Doch noch ist es nicht soweit. Zwar erwischten die Füchse in der laufenden Oberliga-Saison einen glänzenden Start (12:0 Punkte), doch der Weg zur Meisterschaft ist noch weit. Und selbst wenn dieses Ziel erreicht würde, folgt immer noch die Aufstiegsrunde gegen vier starke Konkurrenten aus dem Bundesgebiet. Deshalb meinen Manager und Trainer übereinstimmend: „Wenn wir diesmal nicht aufsteigen sollten, versuchen wir es in der nächsten Saison wieder.“
Ob aber auch noch ein dritter Anlauf gewagt wird, ist höchst fraglich. Achterberg zeigt sich ziemlich skeptisch: „Ich glaube, daß wir in diesem Fall wieder kleinere Brötchen backen müßten.“ Zumal dann solche Talente wie Wynhoff (Besitzer eines Vorvertrages mit Mönchengladbach), Muschiol, Kapagiannidis, Thiel, Kunert oder Kuhlow kaum noch in Berlin gehalten werden könnten. Und wenn es dann für die Begabten wieder nur die Auswahl zwischen Hertha und Blau-Weiß geben sollte, dann wird es wohl heißen: Neeee...
Richard Mülheim
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