Gott in Ramstein

■ Über die Austreibung der Trauer

Daß die Trauerfeier in Ramstein kein rechtsfreier Raum war, konnte man an dem Aufgebot uniformierter und ziviler Polizei erkennen. Daß auch „Leid und Tod keine gottlosen Räume sind“, erfuhr man von Bischof Schlembach, dem sich Ministerpräsident Bernhard Vogel anschloß. Er beantwortete die selbstgestellte Frage, ob der Glaube an Gott angesichts „dieses unsäglichen Leids“ Bestand haben könne, mit apodiktischer Logik: „Nur wenn es einen Gott gibt, können wir das schreckliche Leid aushalten.“

Bevor überhaupt das „schreckliche Leid“ der Opfer von Ramstein präsent werden konnte, sorgte eine Flut von Gottesbeweisen und –beschwörungen dafür, daß die allermeisten Augen trocken blieben. Der Schrecken und die Verzweiflung vieler Angehöriger von Verbrannten und Verstümmelten wurden mit quadratmetergroßen Heftpflastern aus der Hausapotheke des mittelalterlichen Glaubensbekenntnisses zugeklebt. Für die Fragen nach Ursache, Sinn und Verantwortung der Katastrophe blieben wohlfeile Floskeln und der Hinweis auf die Macht des Schicksals und die Ohnmacht des Menschen.

Gleichzeitig demonstrierten die Medien ihre Macht, jeden Augenblick eines Geschehens mitzubestimmen. Die Medieninszenierung, an der inzwischen alle mitwirken, zerstört nicht nur die Aura eines (traurigen) Ereignisses, sie verhält sich auch komplementär zu „Schicksal und Glaube“. Während das „unfaßbare Geschehen“ im elektronischen Lichtzerhacker weiterverarbeitet wird, verhungert das „unfaßbare Leid“ am ausgestreckten Arm Gottes.

Reinhard Mohr