Nur ein halber Waffenstillstand in Angola

■ Südafrika hat sich zurückgezogen, seine Unita-Guerilla kämpft weiter / Aus Luanda Knut Pedersen

Jedes Jahr im September starteten Angolas Regierungstruppen eine Offensive gegen Südafrikas Invasionstruppen und deren Verbündete von der Unita. Heute hat sich das Bild gewandelt: Der Waffenstillstand zwischen Angola, Kuba und Südafrika ist in Kraft (allerdings ohne die Unita), der letzte der 3.000 südafrikanischen Soldaten ist über die Grenze nach Namibia marschiert. Dort stehen jetzt rund 50.000 Apartheid -Soldaten. Etwa so viele, wie es kubanische Kämpfer in Angola gibt. Daß diese bald auf die Zuckerinsel zurück sollen, steht im Waffenstillstandsvertrag. Doch über den Zeitplan wird noch verhandelt. Im Gegenzug muß Pretoria nämlich einen Termin für die namibische Unabhängigkeit nennen.

„Wenn die 50.000 Kubaner wirklich nur dazu gedient hätten, die Südafrikaner in Schach zu halten, dann könnte man sie heimschicken, sobald Pretoria seine 50.000 Soldaten aus Namibia abzieht“, rechnet ein westlicher Diplomat in Luanda. „Aber das geht natürlich nicht, weil die Kubaner ja auch noch vieles andere im Lot halten. Nur: Das will die angolanische Regierung verständlicherweise nicht eingestehen.“

Dennoch, sie ist unter Zugzwang geraten, seit Südafrikas Außenminister „Pik“ Botha den gleichzeitigen - kubanischen und südafrikanischen - Abzug innerhalb von sieben Monaten vorschlug.

Das Dilemma der Angolaner: Es ist nicht so gewiß, daß ihre Armee auf sich selbst gestellt der Unita standhalten wird. Und für die politische Macht, die sich bislang noch immer auf die Kubaner stützen kann, stellt sich auch die Frage des neuen Kräfteverhältnisses zwischen Regierung und ihrem Generalstab. Zumal der latente Unmut einer gründlich desillusionierten Bevölkerung spätestens am Ende des Krieges das Problem tiefgreifender Reformen stellen wird - und mithin die Frage der öffentlichen Ordnung.

Zu lange schon sitzt man auf den Cafe-Terrassen von Luanda, ohne damit zu rechnen, je bedient zu werden. Aus Gewohnheit versammeln sich die Leute noch an den verwitterten Tischen, die wie vergessen scheinen, seitdem alles dicht gemacht hat. Hinter verschlossenen eisernen Gittern erwecken die gekachelten Cafes den desolaten Eindruck lange nicht benutzter Badezimmer. Alles ist verstaubt, und es gibt weder zu essen noch zu trinken und nicht einmal etwas zu sehen.

Alte Autos und scheppernde Laster holpern vorbei, und lediglich die zahlreichen Militärfahrzeuge scheinen wirklich zu wissen, wohin des Weges. Zwischen den zerbröckelnden Häuserfassaden wirkt Luanda unwirklich und befremdend wie die fröhlich schreienden Kinder, die auf breiten Gehwegen in Sandhaufen spielen. Ihre wiederhallenden Stimmen erinnern an die kurzzeitigen Freuden belebter Schulhöfe. In den „muceques“, den Vorstadtslums Luandas, hausen Hunderttausende von „dislocados“, Menschen, die der Krieg aus ihrer Heimat vertrieben hat.

Die Bevölkerung der Hauptstadt ist in den letzten 13 Jahren von einer halben Million auf eine oder anderthalb Millionen geschnellt - niemand weiß das so genau. Tatsache ist, daß mit Ausnahme weniger Privilegierter jeder von der Hand in den Mund lebt. Und auch das nicht immer: Unicef zufolge bräuchten eine Million Menschen sofort Hilfe, die Hälfte aller Kinder unter zehn Jahren ist chronisch unterernährt. Jedermann ist auf der Suche nach einem „esquema“, einem Überlebensschema in dem wirren Schwarzmarkttreiben. Das in den Staatsläden unauffindbare Ei kostet hier 16 Dollar jedenfalls wenn man den offiziellen Tauschkurs ernst nimmt.

Das freilich tut niemand mehr, und selbst die Bettler auf dem Markt weisen gelegentlich die wertlosen Kwenza-Scheine zurück ... fragen höflich nach ... Bier. Der Karton Bier mit 24 Dosen ist zum universalen Tauschwert geworden. Mit Bier bezahlt man sein Gemüse beim Händler und regelt die Miete beim Hausbesitzer. Kleinere Werte werden in Dosen ausgedrückt, größere Anschaffungen kosten soundsoviele Kästen Bier. In jedem Falle ist man mit Bier immer „flüssig“, mit einer Ausnahme: Seitdem das Gerücht umgeht, das belgische Stella-Artois-Bier gehe an die männliche Spannkraft, hat die Marke ihren Tauschwert verloren. Aber Becks und Heineken halten den Schwarzmarkt im Gange.

In den Hotels wird derweil nur mit Dollar bezahlt, und die großen Firmen im Lande unterhalten eigene Läden, aus denen ihre Belegschaft einen Teil ihres Gehalts in Naturalien abschleppt. Geschäfte nach dem offiziellen Wechselkurs gibt es kaum mehr, der Schwarzmarktkurs ist schließlich um ein 70faches höher. Ein einfaches Damenkleid kostet offiziell 400 Mark, im Schwarztausch dagegen keine sechs Mark.

Egal ob Schattenwirtschaft oder Kriegskommunismus - Angolas Ökonomie läßt sich in jedem Falle auf einen einfachen Nenner bringen: Das Land verdient jährlich rund zwei Milliarden Dollar am Erdölexport und gibt davon die Hälfte für den Bürgerkrieg aus. Bleibt eine Milliarde für Einfuhrgüter, von denen - nach Aussage des angolanischen Handelsministers Rangel Dumild - „mindestens 40 Prozent gestohlen und anschließend auf dem Schwarzmarkt verkauft werden“. Was soll aus solchen „Tauschverhältnissen“ werden, wenn es je wieder Frieden und bürgerliche Ordnung geben sollte?

Im Schatten der Vierergespräche über die Zukunft Südwestafrikas wird es in Luanda Zeit, sich diese Frage zu stellen.