: Warum ist Rambo wertvoll?
■ Der Ausschuß der Filmbewertungsstelle gibt sich autonom: das Rambo-Gutachten spricht von „einer Welt, in der Gewalt legal ist“
„Der Bewertungsausschuß hat dem Film mit 4:1 Stimmen das Prädikat 'wertvoll‘ nicht ohne Bedenken erteilt.
Rambo ist in seinem dritten Film bei afghanischen Widerstandskämpfern; er rettet auf seine Art den väterlichen Freund aus den Fängen eines sadistischen Gegners.
Zeitgeschichte sei als Hintergrund für einen Abenteuerfilm bedenklich; Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von Zielen (und seien es gerechtfertigte) und ihre Darstellung sei unter dem Gesichtspunkt vermutbarer Konsequenzen für die Wert-Maßstäbe einer Gesellschaft fragwürdig. Stichwortartig sind damit die Bedenken (nicht nur der überstimmten Minderheit) gegen die Prädikatisierung des Films zusammengefaßt.
In einer Welt jedoch, in der Gewalt legal ist und vielen Menschen auch als legitim gilt, kann die Auseinandersetzung mit gerechtfertigter wie ungerechtfertigter Gewalt und infolgedessen auch die Auseinandersetzung mit deren Darstellung nicht - im Sinne einer 'heilen‘ Welt auf einer 'sauberen‘ Leinwand - unterbleiben. Es müssen sich vielmehr Normen, die hierfür gelten, im Konflikt zwischen den Gegnern und den Befürwortern solcher Praktiken und Darstellungen immer wieder bilden und bewähren. Und daß aktuelles politisches Geschehen die Folie liefert, vor der ganz andere Konflikte dargestellt werden, ohne daß die politischen Ereignisse und Zusammenhänge fakten- und sachgerecht vergegenwärtigt sind, ist nicht nur bei der Gattung des Abenteuers und nicht nur beim Medium Film alltäglich. Dies wurde den erwähnten Bedenken entgegengestellt.
Auf jeden Fall erweist sich dieser Rambo-Film als ein Abenteuer- und Action-Film mit stark märchenhaften Zügen. Typisch ist dafür die Schwarz-Weiß-Zeichnung von Gut und Böse bei den Hauptakteuren, ihr ungeheurer, alles menschenmögliche übersteigender Einsatz, der kein Risiko für Leib und Leben zu fürchten braucht, auch die ungehemmte Verwendung restlos aller Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, die Geradelinigkeit und Eindimensionalität der Handlung wie der Charaktere, sind farbenfreudige, sich steigernde und irgendwann auch überstürzende Vielfalt der Ereignisse.
Fast alle diese Momente sind entsprechenden Erfordernissen der Gattung bemerkenswert gut in Szene gesetzt - sowohl durch das Drehbuch wie auch durch cie Regie, besonders in der Pyrotechnik, den Massenszenen und der Arbeit der vielen Stuntmen, angemessen auch in der Auswahl und Führung der Darsteller.
Entsprechend den Gattungsgesetzen problematisieren die Gestalten des Films ihre Handlungen und Entscheidungen nicht, doch ist deren Selbstverständlichkeit nicht einfach Vorwand: So ist für Rambo 'sein‘ Krieg, wie er mehrfach betont, beendet; die Kämpfe sind für ihn, sofern er nicht unmittelbar involviert wird, ohne Belang; die Gewaltszenen sind eher zurückhaltend inszeniert. Und die unproblematisierte, auch in diesem Sinne selbstverständliche Basis des gesamten Geschehens ist der „unverfängliche“, weil nicht nur im Film nicht hinterfragte, Wertkomplex der Freundschaft, durch den allein der Held zum Handeln stimuliert wird.
Zwar mag man hierin auch eine, vielleicht illegtime, vielleicht sogar pervertierte Personalisierung dessen sehen, was schließlich unübersehbar heute Großmachtpolitik ist und gestern noch in diesem Zusammenhang als Verteidigung der jeweils anderen Seite die ideologische Rechtfertigung solcher Politik lieferte. Aber mit solchen Überlegungen erweist sich allenfalls, daß mythische Vorstellungen und Elemente der Sage auch diesen Film beeinflußt haben, ohne daß daraus sich folgern ließe, dies sei für seine Gestaltung unzulässig oder nachteilig.“
Der Film ist von der Freiwilligen Selbstkontrolle ab 16 Jahren freigegeben. Über die Appelation des Landes Bayern, den Film erst ab 18 zu gestatten, wird morgen entschieden.
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