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Nordsee-Badeverbot: Typhusgefahr

Meerwasser salmonellenverseucht / Überdüngung der Nordsee fördert Keimwachstum / Herkunft der Bakterien bislang unbekannt / Mögliche Ursachen: Ungeklärte Abwässer, Fäkalienverklappung und Möwenkot  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Badeverbot auf der Nordseeinsel Norderney: Weil in Wasserproben wiederholt giftige Salmonellen -Bakterien festgestellt wurden, hat die zuständige Aufsichtsbehörde in Aurich (Ostfriesland) die Strände der 13 Kilometer langen Düneninsel für den Badebetrieb sperren lassen. Bereits am 26.August und am 1.September waren bei den routinemäßigen Wasserproben erstmals Salmonellen nachgewiesen worden. Eine Kontrolluntersuchung am Montag hat die Ergebnisse nun bestätigt.

Inwieweit die Gesundheit der Badegäste durch die Stäbchen -Bakterien im Nordsee-Wasser gefährdet wird, läßt sich nach Angaben des Staatlichen Medizinaluntersuchungsamtes in Aurich nicht definitiv sagen. Bekannt sei lediglich, daß die Infektiosität der Bakterien, die bei Menschen und Tieren Infektionskrankheiten wie Typhus, Paratyphus oder Salmonellenenteritis auslösen, im Salzwasser stark nachlasse. Ein Zusammenhang zwischen dem Nachweis der Bakterien und der fortschreitenden Vergiftung der Nordsee läßt sich nach Aussagen des Amtsleiters Briese insoweit herstellen, als das Keimwachstum durch die Überdüngung der Nordsee gefördert wird. An die zuständigen Politiker appelliert Briese daher, „diesen Befund als zusätzliches Signal zu verstehen, endlich etwas für die Nordsee zu tun“.

Badeverbot für mindestens drei Tage

Wie die Bakterien ins Meerwasser gelangt sind, war gestern Anlaß zu vielfältigen Spekulationen. In Aurich werden jetzt die Strömungsverhältnisse in der Nordsee untersucht, um einen möglichen Herkunftsort festzustellen. Der Leiter des Medizinalamts, Briese, nannte als mögliche Ursache die Einleitung ungeklärter Abwässer, die Verklappung von Fäkalien bei Fahrgastschiffen auf hoher See und den Kot der Möwen, deren Bestand mit Salmonellen durchseucht sein soll. Mindestens drei weitere Tage werde das Badeverbot aufrechterhalten. Die Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaft und des Landes Niedersachsen schreiben für die Freigabe als Badewasser vor, überhaupt keine Keime zu enthalten. Eine Analyse der Wasserproben dauert zudem drei Tage, und zur Aufhebung des Badeverbots seien mehrere negative Untersuchungsergebnisse erforderlich.

15.000 Gäste dürfen umsonst Wellenbaden

Die Kurverwaltung auf Norderney hielt sich gestern mit Äußerungen zurück. Von den Salmonellen im Nordseewasser habe man erst am Dienstag vormittag erfahren, das Badeverbot sei im Moment „rein vorsorglich“. Die Kurverwaltung erklärte, sie rechne mit einer Aufhebung für den heutigen oder morgigen Tag. Zwischenzeitlich dürfen die rund 15.000 Badegäste das beheizte Wellenbad auf Norderney kostenlos benutzen. Die „Aktionskonferenz Nordsee“ erklärte eine gemeinsame Quelle der Nährstoff-Einträge und der Bakterien für ziemlich wahrscheinlich. Wie Vorstandsmitglied Willers erklärte, gelangten immer noch ungeklärte Abwässer in einem erheblichen Ausmaß über die Flüsse in die Nordsee. Wenn jetzt ein Badeverbot ausgesprochen wurde, müsse dabei aber berücksichtigt werden, daß die Wassergüte in der Vergangenheit nicht so intensiv gemessen worden sei. Willers berichtete weiter, daß bereits in den letzten Monaten weitreichende Teile der belgischen Küste wegen Salmonellen im Badewasser gesperrt worden waren. Das Medizinaluntersuchungsamt in Aurich, zuständig für 80 Kilometer Küste und die ostfriesischen Inseln, war erst im Frühjahr personell und materiell aufgestockt worden. Seitdem werden im Landkreis alle 14 Tage an zehn Badestellen Wasserproben gezogen. Insgesamt gibt es an der niedersächsischen Nordseeküste 22 Meßpunkte.

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