piwik no script img

Nicht die Würde verlieren

 ■ V O R L A U F

(Junior Bonner, West 3, 22.15 Uhr) Junior Bonner ist Rodeoreiter, ein moderner Cowboy in einem Western, in dem Pioneer Days und Rodeo zur Touristenattraktion und Rummelplatzunterhaltung verkommen sind. Juniors „Arbeit“ hat ihre ursprüngliche Funktion verloren, aber er macht seine Arbeit mit dem Stolz des alten Westeners. Steve Mc Queen als Junior Bonner: einer, der meist verliert, aber niemals die Würde, also niemals wirklich. An Geld liegt ihm nichts, nur die magischen acht Sekunden auf dem Rücken eines wilden Pferdes zählen, jener thrill also, der die Spannung im Leben ausmacht.

Junior Bonner ist ein Film über eine Heimkehr, die es nicht mehr geben kann. Wer einmal hinausgezogen ist in die Welt, wird zu Hause immer nur die Trümmer vorfinden. Als Junior Bonner morgens aufwacht und seinen Blick über den Horizont gleiten läßt (und genau in diesem Moment „Directed by Sam Peckinpah“ erscheint) ahnt man, daß in diesem Land etwas verloren gegangen ist.

Junior Bonner beginnt mit einer Niederlage beim Rodeo, aber die ist zu verkraften, wenn man sich mit aller Gewalt gegen sie gestemmt hat. Schon schwerwiegender ist der Anblick, wie Juniors Elternhaus von monströsen Planierraupen zermalmt wird: das ist etwas, was niemand aufhalten kann. Noch schwerwiegender wird das freilich, wenn es der eigene Bruder war, der für ein paar Dollars das Elternhaus aufkaufte, um das planierte Gelände in profitträchtiges Bauland zu verwandeln.

Um Geld geht es nicht, schon eher um Verrat, gescheiterte Ideale und überkommene Werte: „Ich arbeite an meiner ersten Million“, sagt der Bruder zu Junior Bonner, „du noch immer an deinen acht Sekunden.“ Peckinpah verdammt niemanden in seinem Film, schließlich tut der Bruder ja nur sein Bestes, um sich eine eigene Existenz aufzubauen.

Am Ende wird sich die Familie in alle Welt zerstreuen, und manche werden wohl kurz darauf sterben: Es ist etwas verlorengegangen, aber niemand wird es wirklich vermissen. Statt vorgefertigter Feindbilder dringt hier die strukturelle Gewalt in alle menschlichen Umgangsformen ein, das ist traurig, aber weniger verlogen als die trügerische Hoffnung auf irgendeinen Erlöser oder eine „befreiende“ Ideologie.

Torsten Alisch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen