: Vom Pulverdampf zum Opernkrampf
■ Ex-ARD-Kriegsberichterstatter Konzelmann hat eine Oper komponiert: „Das Gauklermärchen“ von Michael Ende
Daß er als Kriegsberichterstatter für das deutsche Fernsehen zwanzig Jahre lang auf der Mattscheibe stand, hat sein Image geprägt. Jetzt debutierte Gerhard Konzelmann, inzwischen Kultur-Chef des SDR, auch als Opernkomponist mit der Uraufführung des „Gauklermärchens“ nach Michael Ende. Es geht um einen Chemie-Konzern, der die Gesundheit eines Landstrichs und insbesondere die der kleinen Eli auf dem Gewissen hat, die bei einer Gauklertruppe Unterschlupf fand. Der Konzern - wir kennen das Bild aus Sammy und Rosie tun es - will die heruntergekommenen Artisten von ihrem Areal zwecks Bebauung vertreiben; raffinierterweise bietet er den Gauklern einen Werbevertrag an - unter der Bedingung, daß die wenig werbeträchtige Eli in ein Heim eingeliefert wird. Bevor der Bagger anrückt, erzählt der Clown Jojo das Märchen von Prinz, Prinzessin und der bösen Spinne im Morgenland, bei dem das Scheusal durch reine Menschlichkeit und Liebe besiegt wird, was der Konzern prompt beherzigt.
Die Geschichte ist kaum mißzuverstehen. Wer die schlechten Reime und die zierliche Dummheit des verschnörkelten Historismus übersieht, mag sie für „poetisch“ halten - zumal Michael Ende ja pausenlos versichert, wie poetisch er und seine Texte seien. Regisseur Florian Leibrecht und seine Ausstatter nahmen Motive aus Märchen-, Comic- und Fantasywelt zur turbulenten Bebilderung: fürs Morgen-Land und den Chemie-Müll mußten Ölfässer herhalten. Aber solche optischen Lockerungsübungen konnten dem betulichen Märchen -Lehrstück nicht recht aufhelfen, auch wenn die Inszenierung noch einige kräftige Sexualsymbole aufpropfte.
Als „Hoffnungsträgerin“ des Abends erschien die Musik. Konzelmann hat sie streng nach dem Rezept der schwäbischen Maultaschen zubereitet: Er nahm reichlich vom melodisch -harmonischen Fleisch des 19.Jahrhunderts und dreht dasselbe durch den Wolf; dazu ein paar barocke Semmeln, gut eingeweicht und wieder ausgedrückt. Spinat, Zwiebeln und Gartenkräuter aus verschiedenen Provenienzen des 20.Jahrhunderts sowie das Salz der Chromatik sorgten für die aktuelle Würze; und wenn der Clown im sechsten Bild sein „Ich weiß nicht, woher ich komme“ intoniert, ist es, als grüße der schwäbische Landsmann Friedrich Silcher: Frischei in der amorphen Füllungsmasse. Dieselbe wird nun in den nudelhaften Märchenteig bzw. den märchenhaften Nudelteig geschlagen, in letzten Endes trüber Suppe herausgekocht und mit der Schmelze neuerer deutscher Regie-Kunst serviert.
Besonders lecker schmecken die Maultaschen, in Streifen geschnitten und aufgewärmt. Konzelmann hat angekündigt, daß weitere Werke folgen werden.
Frieder Reininghaus
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