: Indianer, Herbst und ABM
■ Das „DACAPO“ veranstaltet ab heute ein Wochenende mit Carlos Nikai, hat bis zum Herbst noch 2 1/2 ABM-Stellen und ist dann wahrscheinlich pleite
DACAPO ist ein eingetragener und restlos gemeinnütziger Verein und versucht, gemeinsam mit dem Bürgerhaus Weserterrassen „hohe Kultur in einem anderen Rahmen zu vermitteln“, sagt Ingo Ahmels. Der muß es wissen. Er ist von Anfang an dabei.
„Das fängt schon mit der Sitzordnung an“, so Ahmels, „die ist halbrund, nicht frontal wie bei Konzerten oder im Theater.“ Ich weiß das nicht. Ich kenne bloß die DACAPO -Aufkleber. Lila-Gelbe „Freizeit, Seichtheit, Bürgerlichkeit“ und „Nie wieder Kunst“. Die sind schön.
DACAPO schenkt sie gerne her. Man kann aber auch was spenden zum Projekt, dessen Kleberund man da kulturvoll auf Auto, Eisschrank oder Schnellhefter pappt. Man sollte überhaupt ganz viel spenden. DACAPO wird nämlich bisher über 2-1/2-ABM-Stellen finanziert. Ein Jahr nach der u.a. vom Kursbuch mitfinanzierten Gründung wurden die ABMs „auf öffentlichen Druck hin“ bewilligt. Spätestens im November wird's ABMmäßig aber restlos herbstlich. Die erste ABM (1 Stelle Ingo
Ahmels) ist zum 31.8.88 ausgelaufen und wurde „wider Erwarten“ bisher nicht verlängert. Die zweite folgt Mitte Oktober, die zweieinhalbte macht Ende November den DACAPO-Herbst komplett. „Noch ist nicht alles verloren“, sagt Ahmels da spätsommeroptimistisch. Sein Antrag auf Verlängerung werde erst in zwei Wochen abschließend behandelt. Mehr weiß er nicht: „Wo man auch hinfragt, stößt man nur auf Watte.“
DACAPO ist natürlich nur eines der zahlreichen alternativen Kulturprojekte, die mehr oder weniger restlos auf ABM-Basis finanziert werden. Neubremer (Kulturredakteurinnen aus Dortmund) halten dieses brementypische Kultursponsorship gern für durchaus clevere Mach-Werbung-für-Deine-fein-alternative-Stadt-Strategie
der Landesregierung. Bremen, von ordentlich dreckigen, bösen und postindustriellen Großstadtmenschen immer gern als Kulturprovinz belacht, gilt dem Rest der Republik als 100% handgestricktes Alternativen-Mekka. Keine Stadt hat mehr gutgelaunte Freaks, bunte Hippies,
fröhliche Kleinkunst und niedliche Szene als Bremen. Zum guten Plan, wenigsten die bunte Alternativkultur zum Markenzeichen einer wohnlich bunten Hansestadt zu machen, fehlt bloß gutes sozialdemokratisches Geld.
„Das politische Problem ist: Einen festen Kulturetat, aus dem alternative Projekte finanziert werden könnten, den gibt es in Bremen nicht. Das wird jetzt aber durchaus diskutiert“, sagt Ahmels, der sich derweil arbeitslos gemeldet hat und jetzt einfach ehrenamtlich kulturarbeitet.
Sollten die DACAPO-ABMs, die wie alle anderen auch von einem Gremium des Arbeitsamtes, des Senats, der Gewerkschaften und Arbeitergeberverbände genehmigt werden, defintiv nicht verlängert werden, ist DACAPO noch vor Jahresende pleite. „Ich weiß nicht, wie das dann weitergehen soll. Eigentlich können wir dann noch nicht mal mehr das Oktober-Programm durchziehen. Ich hab vorsichtshalber schon mal einen Termin abgesagt. Das ist eigentlich eine dramatische Situation. DACAPO läuft dieses Jahr so gut wie nie. “
Das September Programm wird allerdings noch in aller Vollständigkeit veranstaltet. Das Wochenende gehört damit wie geplant dem Navajo-Indianer, Flötenspieler und Medizinmann Carlos Nakai. Der ist mit ANIMA (das sind Paul und Limpe Fuchs mit ihren selbsterfundenen archaisch -abendländischen Fuchs-Instrumenten, den „Ballast-Saiten“) im September auf Europatournee, ist Zedernholz-und Adlerknochenflötist, Jazz-Trompeter und extensiver Vortragsreisender in Sachen Navajo-Kultur, der „seinen Zuhörern und Studenten ein Bewußtsein davon vermittelt, was es bedeutet, amerikanischer Eingeborener zu sein.“
„Nakai kann man vor dem politischen Hintergrund, was mit den Navajos in Amerika passiert, nicht einfach als Konzert stehen lassen“, sagt Ahmels. DACAPO macht darum zum Konzert „Atlantic Crossing“ (10.9., 20 Uhr) eine Ausstellung im Bürgerhaus, zeigt heute (20 Uhr) und Sonntag (17.30) von Navajo-Indianern über sich und ihre Kultur gedrehte Filme, die garantiert jeden Western-Fan enttäuschen, bietet Gesprächsmöglichkeiten im sonntäglichen Workshop „Psyche und Klang“ (da sind noch Plätze frei) und macht Indianermusik für Kinder (Sa 15.30), um „romantisierte Indianerbilder zu korrigieren“.
Hugh.
pH
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