: Mit Blick auf gentechnologische Anwendung
■ Berlin will gentechnologisches Zentrum werden / Für die Grundlagenforschung wird das Bundesforschungsministerium zwölf Millionen Mark spendieren / Biologische Schadstoffresser als Akzeptanzhappen für die Kritiker / Die Schering AG hat ihre Finger mit drin
Altlasten, konkret: chemie-verseuchte Böden stören keinen echten Biotechniker, sie fordern ihn heraus: „Wir hatten in Hamburg einen mit Phenolen verseuchten Boden, der war ein reines Desinfektionsmittel.“ Horst Niebelschütz wird seine mikrobiologische Bodensanierung auf der Biotechnica in Hannover vom 20. bis 22. September vorführen. Doch bevor das „Genzentrum Berlin“ nach Hannover reist, durfte er an der Seite von Wissenschaftssenator Turner seinen Akzeptanz happen der Presse servieren.
Leckerbissen wie biologische Schadstoffresser haben Genprofis bitter nötig. Eine AL-Anfrage im Abgeordnetenhaus zur Gentechnik in Berlin sei, so Turner, „in ihrer alles vermischenden und verwischenden Art“ typisch für die Diskussion.
Genzentrum heißt: Zwölf Millionen Mark Forschungsförderung spendiert Bundesforschungsminister Riesenhuber, wenn Industrie und Universitäten eine gemeinsame Überschrift für anwendungsnahe Grundlagenforschung finden. Zehn Berliner Arbeitsgruppen forschen damit in „Molekularbiologie an höheren Pflanzen und Pilzen“. Dazu gehört auch Professor Ulf Stahl von der TU. Er bastelt für Bierbrauer in Hefe ein Gen der Gerste hinein. Die Hefe soll beim Gären nachholen, was die Gerste beim Mälzen nicht schnell genug schafft.
Die TU-Institute für Bio- und Lebensmitteltechnologie bekommen bei so viel Anwendungsnähe einen Neubau in der Seestraße - in unmittelbarer Nähe zu Instituten der „Placebo -Behörde“ Bundesgesundheitsamt.
Für Gesundheit sorgen Arbeits medizinerInnen der FU mit Bio- Monitoring. Damit sollen Schad- stoffe in „biologischem Material“ wie Blut oder Urin nachgewiesen werden. Bei derlei ständigen Gesundheitskontrollen werden immer mehr, immer regelmäßiger Gesundheitsdaten ermittelt, verarbeitet und gespeichert.
Das ideologische Prunkstück des Genzentrums Berlin bleibt vorerst eine Bühne, um den Glauben an den Segen der Gentechnik zu fördern: Die „Institut für Genbiologische Forschung GmbH“ (IGF) steuert nur vier Arbeitsgruppen zum Genzentrum bei. Ursprünglich hatten die Schering AG und der Senat, denen die Firma gehört, zwölf Gruppen geplant. Eine Etage in der Ihnestraße steht leer. Offensichtlich werden unabhängige WissenschaftlerInnen mißtrauisch, wenn Forschung und Kommerz „in einer alles vermischenden und verwischenden Art“ betrieben werden. „Nur für Zwecke der Grundlagenforschung“ steht auf bisher unveröffentlichten Papieren, die IGF-Leute von ihren KollegInnen geschickt bekommen.
Der IGF-Leiter und FU-Professor Lothar Willmitzer beteuert, er betreibe Grundlagenforschung, wenn auch „mit Blick auf die Anwendung“. Zwei Verfahren hat er bereits zum Patent angemeldet. Die Schering AG hat das Recht, erste Lizenznehmerin zu werden. Die Patentgebühren fließen an die IGF-GmbH, die ihr wiederum zur Hälfte gehört.
Christian Sternberg (Gen-ethisches Netzwerk)
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