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„Ja“, hatte er gesagt, „ich komme mit dem Geld aus.“

■ Vor zwei Jahren gelobte Neuenfels der Volksbühne künstlerische Erneuerung und Kostendisziplin, nun droht dem Hause der Konkurs

„Ja“, hatte er gesagt, „ich komme mit dem Geld aus.“ Hans Neuenfels quittierte die 4,7 Millionen aus dem Landeshaushalt, die ihm von Kultursenator Hassemer vor zwei Jahren mitsamt einem Theaterhaus und einem Intendantenposten in seine experimentell-schöpferischen Hände gelegt worden waren. Seinen international bekannten Schriftzug setzte der aufstrebende Regisseur unter einen Vetrag, der ein Konzept versprach, um die traditionellen Pleitegeier über der Freien Volksbühne zu vertreiben und zugleich die vor sich hingammelnden Traditionen theatralischer Avantgarde zeitgemäß aufzupolieren.

Nun ist er offensichtlich wortbrüchig geworden. So und so. Mit der Aufstockung des Etats ist er nicht ausgekommen und das Gemeinschaftsportrait der „großen Drei des Deutschen Nachkriegstheaters“, Piscator, Hübner, Neuenfels, mit dem Hassemer für Berlin weltweit so gern vorstellig geworden wäre, ist nicht vorzeigbar. Allein Piscators Konterfei hängt nun in den Räumen der Intendanz, die seit ihrem 25jährigen Bestehen zumindest auf eine Kontinuität verweisen kann: die des fehlenden Geldes. Erwin Piscator hatte ein festes Ensemble vorzuweisen und Inszenierungen, die das Haus füllten und für alles zu guter Letzt zu wenig Geld.

Kurt Hübner hatte kein festes Ensemble und für seine en -suite-Alternative, die das Publikum häufiger das Haus voll besetzen ließen, nicht genug Geld. Hans Neuenfels hat ein festes Ensemble, nur unzureichend besetzte Zuschauerplätze und im besten Fall 1,4 Millionen Minus. Was im schlimmsten Fall dazu führt, daß die Geschäftsführer der Freien Volksbühne am Ende dieses Jahres zum Konkursrichter gehen müssen.

Keiner, der im Kulturausschuß über das Defizit der Volksbühne kulturell und politisch Debattierenden mag diesen „schlimmsten Fall“ eintreten lassen, und keiner will den gesamten Kultursubventionsetat noch einmal um rund 1,8 Millionen Mark zugunsten der Volksbühne schmälern. Ein unlösbarer Widerspruch, um den sich die Protagonisten der Parlamentsbühne auf ihrer Sitzung am vergangenen Montag wenig scherten. Ihre Aufmerksamkeit galt sich selbst und dem „Künstler“ Neuenfels, dem der Vertreter der SPD, Staffelt, nahelegte, sich in „Disziplin“ zu üben und diese durch Druck des Kultursenators überwachen zu lassen.

Staffelt kündigte an, daß seine Fraktion einer nochmaligen Erhöhung der Zuschüsse für die Freie Volksbühne nicht zustimmen werde. Der FDP-Abgeordnete Pawlowski spielte FDP -Empörung und warf die Frage in den Saal und gegen Hassemer: „Erwarten Sie ernsthaft vom Parlament, daß das neue Defizit von ihm bewilligt wird“, ohne dabei jedoch die Erwartungen der FDP deutlich zu machen. Der CDU-Abgeordnete Lehmann -Brauns spielte Regierungspartei und verwarnte die SPD, den künstlerischen Ruf der Volksbühne und Neuenfels durch eine öffentliche Diskussion ins Gerede zu bringen.

Der Ruf des Intendanten Hans Neuenfels ist allemal dahin, bescheinigten ihm doch alle im Kulturausschuß mitspielenden Parteienvertreter die Unfähigkeit, ein Theater finanziell und künstlerisch verantwortlich zu leiten. Den Versuch, die Gesamtregie für ein Theater zu übernehmen, hat sich Hans Neuenfels zumindest etwas kosten lassen: 380.000 DM gestattete er sich für die Gesamtintendanz, einen persönlichen Referenten und der Sekretärin dieses Referenten. Er wies gleichzeitig den Verwaltungsdirektor nicht nur in seine Schranken, sondern gleich aus dem Haus.

Hassemer wies alle Vorwürfe von Versäumnissen seinerseits mehrmals zurück, indem er wieder und wieder betonte: „Ich habe nichts versäumt!“ Verlangt hat er nun von Neuenfels, den er ungebrochen als wichtige Kulturpersönlichkeit für Berlin sehen will, ein Konzept des Hauses für eine klare und effiziente Arbeit. Eine Konzeption, für die Neuenfels zu Beginn seiner Arbeit jährlich 4,7 Millionen Mark Zuschüsse erhalten hatte, die er um 1,8 Millionen Mark überzogen hat, über die der Kulturausschuß debattierte und den Intendanten aufforderte ein Konzept vorzulegen, daß... Ein konzeptloses Ringelspiel unter der Führung von Hassemerschen Subventionen, das sich sehr bald einer Wiederaufnahme erfreuen kann, wenn das Theater des Westens mit seinen Nachforderungen zur Bezuschußung spielerisch eingreifen wird. Diese, so vermuten die bekannten informierten Kreise, werden den Gesamtsubventionsetatbeutel um erheblich mehr schmälern wollen.

reg

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